Foto: Zsolt Wilhelm
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Foto: Blizzard / Hand out
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Foto: Zsolt Wilhelm

Im Schachbrettmuster von Los Angeles ist der sechsspurige Highway das Einzige, was die Symmetrie durchbricht. Gewaltvoll wie eine Würgeschlange schiebt er sich zwischen Wohnhäuser und Wolkenkratzer und saugt einen endlosen Strom an Autos in sich hinein. Vorbei an den Ölpumpen mitten in der Stadt und an den scheppernden Pressspanhütten des amerikanischen Albtraums. Die Gier dieses menschgemachten Biests kommt morgens zum Stocken. Und abends, als ich nach 14-stündigem Flug und zweistündiger Einreise in einem Taxi sitze. Mit der unsicheren Erleichterung eines unrechtmäßig Pauschalverurteilten, der gerade freigesprochen wurde, fresse ich auch noch die eineinhalbstündige Fahrt zum Hotel in mich hinein.

Eine Taxifahrt durch L.A.s Nacht ins Ungewisse.
Foto: Zsolt Wilhelm

Die penetrierenden Blicke und Fragen der Einwanderungsbeamten im Hinterkopf, wundere ich mich einmal mehr, wo ich hier gelandet bin. Der Weg nach Anaheim und zu meinem Zielort, der Blizzcon, führt durch die Dunkelheit des Molochs. Der Chauffeur, nennen wir ihn George, verlässt die Autobahn und nimmt den Schleichweg durch Compton und jene Viertel, die in den 40ern den aufstrebenden Mittelstand repräsentierten. Der Wandel der Zeit hat die einst penibel gepflegten Vorgärten gegen mit Planken umzäunte Staubflecken getauscht und die einst friedliche Vorstadtidylle gegen die Tristesse einer Gangsterwelt.

"Glauben Sie an das Böse?", fragt mich der 50-jährige Mann am Steuer und biegt in eine weitere schwach beleuchtete Nebenstraße ein. Wir hatten fast 90 Minuten angeregt über Technologien der Zukunft und Videospiele gesprochen. Das Leben habe ihn zum Arbeiter gemacht, im Herzen sei er immer ein Grafikdesigner und Gamer geblieben.

Sein Stimmungswandel kurz vor der letzten Autobahnauffahrt zur heiteren Entertainmentwelt erwischt mich kalt. "Ich bin schon sehr früh in Kontakt mit körperlicher Gewalt gekommen. Diebstahl. Überfälle. Aber das meine ich nicht", fährt er fort und bereitet mir mit seinen Worten Unbehagen in der Magengegend. Ich stelle mir vor, wie wir gleich in die letzte Sackgasse meines Lebens einbiegen und ich von dem eben noch freundlichen Herrn in einen dieser Hinterhöfe geführt werde, die man aus Tarantino-Filmen kennt.

"Ich meine, glauben Sie daran, dass manche Menschen grundsätzlich böse sind? Diabolisch? Ohne Reue?", fragt mich mein immer fremder erscheinender Lotse durch diese immer finsterer werdende Stadt der Engel. Ein Blick über die Schulter zu mir nach hinten verleiht seinem Sehnen nach einer Antwort Nachdruck. Dass er trotzdem unbeirrt in Richtung Highway weiterfährt, schenkt mir einen Moment der Verschnaufpause. Ich schaue zu viele Filme.

Ich denke an den Stapel an Büchern zum Thema Psychopathie, den ich über die Jahre aus einer perversen Verknotung von Neugier und Abscheu vor den Abgründen der Menschlichkeit verschlungen habe. "Ich glaube daran, was man sehen, nachweisen kann", lüge ich, um das Gespräch auf eine sachlichere Schiene zu lenken. Ohne Erfolg.

26.000 Besucher kamen heuer zur Blizzcon. Cosplayer huldigen ihren virtuellen Ikonen mit selbstgeschneiderten Kostümen und einstudierten Posen.
Foto: Blizzard / Hand out

"Wissen Sie, ich will nicht wie ein Verschwörungstheoretiker klingen, aber seit ich diese Videos gesehen habe, bin ich davon überzeugt, dass manche Menschen dem Satanistischen zugewandt sind", sagt George, ohne dabei die Miene zu verziehen. Noch im gleichen Atemzug erzählt er mir von Bildern und Tonaufzeichnungen, die belegen würden, dass sich eine ganze Reihe von Musikern, Filmemachern und Spielherstellern zur Huldigung des Bösen verbrüdert hat. "Rolling Stones, Metallica und insbesondere dieser Konzern, zu dem Sie fahren. Sie predigen das Diabolische."

Ich rufe mir die Bildsprache der Künstler von Hersteller Blizzard ins Gedächtnis, die mit animierten Monstern Millionen Fans für sich gewinnen konnten. 26.000 von ihnen aus 60 Ländern nehmen an diesem ersten Novemberwochenende eine Reise in Kauf, um 200 Dollar Eintritt zu einem zweitägigen Fest der Gleichgesinnten zu zahlen und vielfach verkleidet als Bestien ihre Gaming-Freuden zu zelebrieren. Hat das etwas Religiöses, etwas von einem Okkult?

Ich versuche meine Antwort so lange wie möglich hinauszuzögern und atme auf, als mein Hotel am Horizont auftaucht. "Ich weiß es nicht, für mich waren das bisher immer Unterhaltungsprodukte und Kunstformen", entgegne ich und erinnere mich an die höllischen Charaktere, die mir seit meiner Kindheit endlosen Spaß bereitet haben. "Ich weiß es nicht, aber ich werde es für Sie herausfinden", sage ich mit der Zuversicht eines Gestrandeten und zaubere George zum Abschluss ein Lächeln ins Gesicht. Dankend macht er die Beifahrertür auf und drückt mir händeschüttelnd seine E-Mail-Adresse in die Hand.

Einchecken, Burger, Cola light, mit Jetlag in die Nacht. Der nächste Tag darf kommen.

Ich habe kaum geschlafen, aber ich bin nicht der Erste, der wach ist. Der Blick vom Balkon zeigt im Morgengrauen den gigantischen Schriftzug der Blizzcon. Direkt darunter sind die gewaltigen Helden aus Spielen wie "World of Warcraft" und "Diablo 3" zu sehen. Zehn Meter davor warten bereits hunderte und später tausende Fans darauf, in diese Welt eintauchen zu dürfen. Frauen, Pärchen und noch viel mehr Männer pressen in Wellen Jubelschreie aus ihren Kehlen, um der Müdigkeit nicht nachzugeben. Es ist fünf Uhr morgens, Einlass ist nicht vor zehn.

Dass ein Spielhersteller eine eigene Hausmesse austrägt, ist genauso selten wie bemerkenswert. Noch dazu, wenn man Eintrittspreise auf Festivalniveau verlangt. Gezeigt werden die neuesten Versionen der Eigenproduktionen. Entwickler halten Vorträge über ihre Arbeit. Synchronsprecher treiben Klamauk auf der Bühne, Cosplayer bringen mit ihren selbstgeschneiderten Kostümen und einstudierten Posen Jurys wie Besucher zum Staunen. In einer Arena feuern tausende E-Sport-Begeisterte professionelle Spieler an, die in Disziplinen wie "Starcraft 2" und "Hearthstone" um hunderttausende Dollar kämpfen. Alle vor Ort und tausende für Livestreams zahlende Internetuser sehen sich die Eröffnungszeremonie und die Spielepräsentationen an. In 48 Stunden wird der Spaß wieder zu Ende sein, doch bevor es so weit ist, hält Linkin Park noch ein fast privates Abschlusskonzert.

Als Außenstehender hält man der Begeisterungskraft dieser Fans auf dem Papier noch stand, doch als ich mit Kollegen der Presse in der gigantischen Halle der Eröffnungsshow sitze und sich die Türen für die Besucher öffnen, werde ich nicht nur sprichwörtlich überrannt. Eine Stampede an Menschen, Orks, Robotern und Elfen donnert rauschend wie ein Tsunami heran. Auf der Suche nach einem guten Sitzplatz bleibt nichts unversucht. Schreie, Rufe, Freudentränen, Aufregung. Nach fünf Minuten legt sich der Sturm kurz, aber als der Countdown den Messestart ankündigt, beginnt die Erde wieder zu beben. Die Luft wird in zehn kollektiven, kraftvollen Atemstößen zum Brennen gebracht. Würde George darin etwas Religiöses sehen?

Der Einlauf der Fans bringt die Hallen im Anaheim Convention Center zum Beben. Sobald der Countdown zum Start abgelaufen ist, gehen Jubelschreie los.
Foto: Zsolt Wilhelm

Blizzard-Chef Mike Morhaime hat eine andere Antwort parat: Die niemals alternde Freude am Spielen. Und die Leidenschaft für seine liebsten Unterhalter ist auch abseits von Popmusik und Hollywood unumstößlich. "Wenn Blizzard ein Spiel herausbringt, ist das nur der Anfang. Wir lieben diese Spiele", sagt Morhaime ergriffen von der Präsenz der Masse und strahlt dabei eine Ehrlichkeit aus, die man in diesem hochprofessionalisierten und von Marketing durchdrungenen Business oft nur noch zwischen den Zeilen liest. Insbesondere bei einem Koloss wie diesem.

Seit Anfang der 90er produziert Blizzard in Irvine, unweit vom Austragungsort der Blizzcon, Games für Computer und Konsolen. Der Durchbruch gelang 1994 mit dem Strategiespiel "Warcraft: Orcs & Humans", der Kultstatus wurde mit den ersten Teilen von "Diablo" und "Starcraft" zementiert. Die enge Verbundenheit zur eigenen Kundschaft kristallisierte sich spätestens dann heraus, als man "Starcraft" 1996 auf der Branchenmesse E3 enthüllte und die Entwickler mit niederschmetterndem Feedback wieder nach Hause fuhren.

Als "Orcs in Space" wurde das Sci-Fi-Strategiespiel gebrandmarkt – eine Anspielung an die uninspirierende Ähnlichkeit zu "Warcraft". Doch anstelle den Fahrplan durchzuziehen und auf ein "good enough" der Rezensenten zu hoffen, ging das Team zurück ans Reißbrett und schrieb die komplette Game-Engine um, um jenes Spiel kreieren zu können, das Spieler ebenso begeistern würde wie die Schöpfer selbst. Zwei Jahre später erfolgte der Start. Neun Millionen Exemplare sollten daraufhin verkauft und einer der Grundsteine für den modernen E-Sport gelegt werden. Weltweit und mit einem fernen Zentrum in der Technologiehochburg und führenden E-Sport-Nation Südkorea.

Die Anfänge waren im Vergleich zu den kommerziellen Auswüchsen von heute dennoch bescheiden. Der Aufstieg in die wirtschaftliche Oberliga erfolgte erst 2005 mit der Einführung des ersten und nach wie vor erfolgreichsten MMO-Rollenspiels "World of Warcraft". Seither hat sich Blizzard zu einem Konzern mit fast 5.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 1,7 Milliarden Dollar entwickelt. Eine Wirtschaftsmacht, die in der Engagierung von Rockstars für Events genauso zum Ausdruck gebracht wird wie in der Tatsache, dass man sich für wichtig genug hält, für große Ankündigungen eine eigene Messe abzuhalten.

Die neuesten Versionen ihrer Lieblingsspiele ausprobieren zu können, ist den Besuchern längeres Anstellen wert.
Foto: Blizzard / Hand out

Schwarze Zahlen auf weißen Seiten interessieren allerdings keinen der privaten Messebesucher. Es gibt in den eindrucksvoll ausgekleideten und mit Originalsoundtracks beschallten Hallen mittlerweile sechs aktuelle Games des Herstellers zu spielen, viele davon begleiten Fans fast ein Leben lang. Im Kontrast zur quartalsgetriebenen Herangehensweise anderer Industriegiganten legt Blizzard seine Produktionen langfristig an und beliefert Spieler im Sinne des Games als Dienstleistung über Jahre mit neuen Zusatzinhalten und Updates. Die Gewissheit, sich über ein Jahrzehnt auf ein Werk einlassen und sich damit identifizieren zu können, lässt die größten Bewunderer ihr Erspartes gerne als Mittel zum Zweck ansehen, ihren liebgewonnenen Fantasien näherzukommen.

Bei Signierstunden fragen sie die realen kreativen Köpfe hinter den Fiktionen aus und lassen Fotos von sich vor Heldenstatuen machen. Wie eine vermeintliche Karikatur der Konsumgeilheit bildet sich eine Schlange vor den Merchandiseshops der Messe. Leute, die 200 Dollar für den Eintritt gezahlt haben, stellen sich zwei Stunden an, um noch mehr Geld für Sammelfiguren und T-Shirts ausgeben zu können. Doch das ist keine Übertreibung, das ist echt.

Im Kontext betrachtet, erklärt sich der Konsumdrang hinter diesem Spektakel besser. Anaheim ist als Austragungsort der Blizzcon und Heimat von Disneyland das Paradebeispiel für US-amerikanische Kauflust. Entlang einer achtspurigen, penibel gepflegten Hauptstraße geschmückt von Palmen ist ein Hotel nach dem anderen aufgefädelt. In Downtown Disney, einem Shoppingviertel vor den Toren des Vergnügungsparks, flanieren erwachsene Männer und Frauen mit Mickey-Mouse-Hüten und Todessternkappen durch die Straßen. Jedes Restaurant ist eine Kette, Souvenirs an jeder Ecke, eine Pizzaschnitte für knapp sechs Dollar und der einzige Zug hier geht nach Tomorrowland – das vom Film, nicht das in Belgien.

Vor der Blizzcon profitieren Feinschmecker-Foodtrucks von der Spendierlaune. Verkaufen Kobe-Beef-Burger um 20 Dollar mit Getränk und werben mit echten Steinofengrills in der mobilen Kombüse um hungrige Mägen. Denkt man sich die Kostüme und die Hoodies mit Logos und Avataren weg, hat die in der warmen Abendsonne gut gefüllte Allee etwas von einem hippen Treffpunkt für Lifestyle-Blogger – kurz bevor der Pöbel davon Wind kriegt. Was würde George dazu sagen?

Um Geld geht es auch in jener Arena, aus der ich in den zwei Tagen kaum noch rauszukriegen bin. Meine und tausende fremde Augenpaare blicken wie gebannt auf die Bühne, auf der die besten "Starcraft 2"-Spieler der Welt um 250.000 Dollar Preisgeld und den Weltmeistertitel kämpfen. Die Bühne, so groß wie ein I-Max-Kino, besteht aus drei großen Leinwänden und zwei getrennten Spielerkabinen, in denen die Athleten entkoppelt durch Sicht- und Gehörschutz hochkonzentriert Basen aufbauen und Armeen ins Feld schicken.

Scheinwerfer erhellen den Raum, 3D-Projektoren lassen die Kulisse mit dem Sci-Fi-Setting verschmelzen und intensivieren die Stimmung. Moderatoren kommentieren das Spielgeschehen und tun ihr Bestes, der computerhaften Geschwindigkeit der Profis zu folgen. 300, 400, 500 Aktionen pro Minute tätigen sie mit Mausklicks und Tastenkürzeln und versuchen den Gegner mit wahnwitzigen Multitaskingleistungen zu überraschen.

Raumschiffe explodieren, Aliens überrennen Festungsmauern, die Menge ist ekstatisch und ich bin es auch. Kameras überfliegen die Tribünen, fangen die angespannten und jubelnden Gesichter ein. Ein Team von ehemaligen Profis analysiert in den kurzen Pausen den Ausgang der Partien – mit Charme, Tiefgang und Nähe zum Publikum. Als das Herzschlagfinale über die volle Distanz mit einer weiteren explosiven Schlacht zu Ende geht, verkündet ein junger Mann im Anzug den Sieger auf Englisch und übersetzt für den Gewinner selbst auf Koreanisch. Smart wie die nächste Generation und professionell wie Michael Buffer.

Das Spiel "Starcraft" legte in den 90ern einen Grundstein für den modernen E-Sport. Heutige Spitzenbegegnungen wie die Weltmeisterschaft locken tausende Fans in die Arena und Millionen vor die Bildschirme.
Foto: Zsolt Wilhelm

Dahinter steckt eine Leidenschaft, die sich zwar gut bezahlen, aber nicht kaufen lässt. Weder aufseiten der knochenhart trainierenden Talente noch aufseiten der begeisterten Zuschauer. Ähnlich wie die Hingabe, die die Künstler und Programmierer hinter diesen gefeierten Games in sich tragen müssen, bereits bevor sie gut entlohnte Jobs bekleiden. "Was sollte man tun, wenn man in dieser Branche arbeiten möchte?", fragt eine Nachwuchsgrafikerin das Podium, auf dem drei Artists eine halbe Stunde lang live vor Besuchern zeichnen, animieren und modellieren. Einer der Entwickler nimmt einen virtuellen Klumpen Ton in seinem Programm Z-Brush auf und meißelt in Windeseile einen bissigen Teufel daraus. ASMR-Symptome überkommen mich, als ich diesem modernen Bob Ross gebannt auf die Finger schaue.

"Mein bester Tipp, den ich geben kann, ist: Höre nie auf daran zu arbeiten und veröffentliche deine Kreationen. Auf Blogs, in Foren", antwortet der studierte Bildhauer. "Stell ein Portfolio zusammen und hör auf konstruktive Kritik. Zeige den Firmen, was du kannst und was du machen möchtest." Der Wettbewerb unter den Bewerbern ist groß, die Anforderungen hoch. An einem einzigen Charakter arbeiten vom Illustrator über den Modellierer bis hin zum Programmierer im Schnitt fünf Leute mehrere Wochen lang. Ein teurer Baustein, der veranschaulicht, weshalb moderne Games dutzende Millionen Dollar in der Produktion verschlingen.

Eine der Besonderheiten der Messe ist, dass man sich mit Entwicklern und Künstlern austauschen kann und Einblick in die Produktion der Games erhält.
Foto: Blizzard / Hand out

Ein weiterer Kollege erzählt von seinen Vorbildern der Klassik und der Gegenwart und skizziert ein anderes furchterregendes Wesen auf ein Blatt Papier. "Zeichnet ihr auch jemals schöne, liebliche Dinge?", fragt ein Besucher und bringt den Raum zum Lachen. "Nun … eigentlich nicht", antwortet der Illustrator schmunzelnd und wirft Bilder von einer Zeit in meinen Kopf, in der ich als Kind auch immer nur gruselige Gestalten gekritzelt habe.

Aber ist das die künstlerische Beschwörung des Bösen, vor der mein ungewöhnlicher Taxifahrer warnte? Die Bildsprache von Blizzards Werken ist eindeutig kriegerisch und von düsteren Fantasien geprägt. Doch in den mit so viel Liebe zum Detail erschaffenen Fantasien, die ich ausgiebig in der Gallerie der Messe betrachte, finde ich nichts Bösartiges. Und auch nicht unter den friedlichen, heiteren Gesichtern der zehntausenden Besucher, die mit den Entwicklern einfach den Spaß am Spielen teilen.

Vor den Toren des Convention Center hat sich umringt von Cosplayern ein Demonstrant niedergelassen. Auf seinem Schild steht, dass nur Jesus uns erlösen kann. "Wirklich?", frage ich mich und denke an die bemüht zur Schau gestellte Verbundenheit amerikanischer Spitzenpolitiker mit Gott. Egal, ob sie tatsächlich daran glauben oder nicht. Wer sucht, wird immer Abgründe finden. In Medien genauso wie in überkommerzialisierten Veranstaltungen von Konzernen sowie in den von Banden regierten Stadtteilen L.A.s und im abschreckenden Kontrollzwang, dem man bei der Einreise am Flughafen der Stadt ausgesetzt ist und das "Land of the Free" wie einen Militärstaat erscheinen lässt. Wer sucht, wird immer Abgründe finden. Doch würde ich nicht bei Videospielen damit anfangen.

Am letzten Abend der Messe explodiert eine Testrakete über der Stadt, wie es in den Nachrichten heißt. Die Bewohner glauben an ein Ufo. Auf der Suche danach schieße ich ein letztes Foto.

Believe.
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Ausgelaugt verlasse ich dieses Mekka der Fanboys und -girls. Wäre mir dieser Trubel 200 Dollar wert? Vermutlich nicht. Doch ich bin ein schlechter Maßstab. Ich fliege beruflich zu solchen Spektakeln und schreibe noch darüber, wenn die Afterpartys rund herum auf ihren Höhepunkt zusteuern. Ich spiele ein Game oft nicht länger als eine Woche am Stück, da bereits die nächsten Rezensionen warten. Arbeit rückt hier vor Vergnügen. Ich habe also nicht die besten Voraussetzungen, meinen inneren Fan ausbrechen zu lassen. Und wenn, neige ich dazu, ihn zu hinterfragen. Die Blizzcon ist aber unbestreitbar ein eindrucksvoller Ort der Videospielleidenschaft und Konsumseeligen. Für die wahren Fans ist das die "Star Wars Celebration" des Gaming-Universums und enttäuschte Mienen kommen einem hier nicht entgegen.

Schon bald geht mein Flieger zurück. Ich spüre die Anziehungskraft dieses Nimmerlands noch bei Betrachtung der farbenfrohen Fotos. Mit 32 Jahren liebe ich Videospiele noch genauso wie damals als Kind. Aber ich habe wenig Zeit für Nostalgie und schulde George eine E-Mail. (Zsolt Wilhelm, 15.11.2015)