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Ein kleiner Räuber mit seinem riesigen Opfer – doch dieses kann sich kaum gegen den Angriff wehren.

Foto: Daniel Feldman/AP/dapd

Salt Lake City – Szenen, die unwillkürlich an Alfred Hitchcocks Klassiker "Die Vögel" denken lassen, spielen sich tagtäglich an der Atlantikküste Argeniniens ab. Dort haben Dominikanermöwen (Larus dominicanus) eine ganz besondere Jagdstrategie entwickelt: Sie stürzen sich auf auftauchende Wale und reißen ihnen Haut und Fett vom Körper.

Dass sich die Vögel nicht mehr länger darauf beschränken, den Walen Parasiten vom Körper zu picken, sondern die Meeresriesen direkt attackieren, weiß man bereits länger. Eine von US-Forschern im Magazin "PLOS ONE" veröffentlichte Studie legt nun aber dar, in welch enormem Ausmaß sich diese Strategie in jüngster Vergangenheit unter Möwen ausgebreitet hat.

Jagdverhalten mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen

In den 1970er-Jahren wiesen etwa zwei Prozent der Kühe und Kälber von Südkapern (Eubalaena australis) Verletzungen durch Möwenschnäbel auf – heute sind es bereits 99 Prozent. Festgestellt werden konnte dies durch die Analyse von tausenden Bildern lebender wie auch gestrandeter Wale.

Mutter-Kind-Paare sind offenbar die bevorzugten Opfer der Vögel, und auch hier zeichnete sich in jüngster Zeit ein klarer Trend ab. Bis in die 1990er-Jahre wurden Walkühe ebenso häufig angegriffen wie Kälber. Seit den 2000ern lässt sich feststellen, dass Kälber deutlich mehr Verletzungen aufweisen als ihre Mütter und dass sich diese Wunden über einen immer größeren Teil ihres Körpers erstrecken.

Dies könnte sogar ein Faktor für die erhöhte Sterblichkeit unter Walkälbern in der Region sein, mutmaßen die Forscher um Carina Marón von der Universität Utah. Die Verletzungen und mehr noch der erhöhte Stress schwächen die Wale, da die von Möwen belagerten hilflosen Riesen kaum zur Ruhe kommen. Zwischen 2003 und 2014 sind an der Valdés-Halbinsel im Südosten Argentiniens jedenfalls über 600 tote Südkaper-Kälber angespült worden – sehr viel mehr als in früheren Jahrzehnten. (jdo, 15. 11. 2015)