Der junge DDR-Grenzsoldat Martin Rauch (Jonas Nay) weiß gar nicht, wie ihm geschieht: Am kommenden Donnerstag startet RTL die sechsteilige Serie "Deutschland 83".

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Wien – Der Einsatz von K.-o.-Tropfen durch Stasi-Mitarbeiter in der DDR gilt als historisch erwiesen. Dokumentiert ist etwa der Fall eines Westberliner Journalisten, der nach kritischen Artikeln betäubt und in den Osten verschleppt wurde. Nach einem Prozess saß er für mehrere Jahre hinter Gittern.

Kaffee mit K.-o.-Tropfen trinkt Martin Rauch (Jonas Nay) in Deutschland 83, ab Donnerstag, 20.15 Uhr auf RTL, und sie verändern sein Leben. Nach diesem einen Schluck wird ihm der Stasi-Mitarbeiter Walter Schweppenstette (Sylvester Groth) mit schnellem Griff den Mittelfinger und damit den Widerstand brechen. Den Schmerz bekommt der junge DDR-Grenzsoldat aber gar nicht richtig mit, denn die dem Heißgetränk beigemischte Substanz sorgt für blitzschnelle Bewusstlosigkeit.

Erstausstrahlung in den USA

Munter wird der Ostberliner Parteisoldat in einer westdeutschen Protzvilla. Der verletzte Finger wurde verarztet. Im Auftrag der Stasi soll er spionieren, Informationen beim Militär einholen. Wir schreiben das Jahr 1983, es ist Kalter Krieg, die Pershing stehen bereit, nuklear wird getestet auf Teufel komm heraus, im Radio plärrt 99 Luftballons. Fortan wird Martin als Moritz (Deckname: Kolibri) den inneren Konflikt zwischen Auftragserfüllung und Gewissensbissen leben. Zu tun bekommt er es mit frostigen Zeitgenossen, etwa Maria Schrader und Ulrich Noethen.

Acht Folgen hat RTL der von Ufa produzierten Dramaserie vorerst gegeben und damit so etwas wie ein kleines "Fernsehwunder" geschaffen. Ungewöhnlich genug, startete das deutsche Epos im Juni zuerst im amerikanischen Sundance TV und wurde dort mit Lobeshymnen bedacht. Ein "genialer, unerwartbarer Blick auf den Kalten Krieg", lobte die New York Times. Entertainment Weeklyvergleicht es hinsichtlich der detailgetreuen Darstellung einer Zeitspanne gar mit Mad Men.

So sehr, dass noch vor dem Sendestart in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine zweite Staffel möglich scheint. Ufa-Chef Nico Hofmann erklärte sich schon bereit. RTL signalisierte Zustimmung, will aber noch die Einschaltquoten abwarten.

Ambitioniertes Stück fiktionalisierte Zeitgeschichte

Entstanden ist Deutschland 83 mit klarer Ausrichtung auf US-Produktionen. Die Idee hatten Anna und Jörg Winger. Geschrieben wurde im Showrunner-Prinzip von einem deutsch-amerikanischen Autorenteam. Edward Berger (KDD) und Samira Radsi (Anduni – Fremde Heimat) führten Regie. Die Musik stammt von Reinhold Heil, bekannt für seine Musik in Cloud Atlas und als Mitglied der Nina-Hagen-Band. Fixer Bestandteil des Soundtracks sind gut abgespielte Songs der Deutschen Welle: Nena gefiel im Westen – und heimlich auch im Osten.

Deutschland 83 ist das derzeit ambitionierteste Stück fiktionalisierter Zeitgeschichte im deutschsprachigen Raum und letztlich ein Signal, dass sich auch deutsche Produktionen dem Serienphänomen zuwenden. In dieser Größenordnung Vergleichbares ist vorerst nicht zu warten. 2016 startet in der ARD Die Stadt und die Macht, ein Politdrama im Stil von Borgen und House of Cards. Frühestens für 2017 ist die Krimiserie Berlin Babylon von ARD und Sky geplant. (Doris Priesching, 24.11.2015)