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Wer als minderjährig gilt, wird in der Regel besser versorgt als die älteren Flüchtlinge.

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Massenunterbringungen sind dennoch auch für jugendliche Asylwerber der Alltag.

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Das Angebot an unbegleitete Kinder und Jugendliche ist noch bescheiden.

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Nur ein geringer Teil der jugendlichen Flüchtlinge holt tatsächlich die Familie nach.

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Heuer haben bereits mehr als 6.000 Kinder und Jugendliche, die ohne ihre Familien in Österreich ankamen, einen Asylantrag gestellt. Das hat auch in den Foren des STANDARD eine Diskussion über möglichen Missbrauch ausgelöst. Die Behörden ordnen in vielen Fällen eine Überprüfung des angegebenen Alters an, oft kommt es dann zu einer "Volljährigkeitsfeststellung". Ein Faktencheck zum Umgang mit diesen jungen Menschen.

Frage: Wie viele sogenannte unbegleitete Minderjährige haben heuer in Österreich um Asyl angesucht?

Antwort: Laut Zahlen des Innenministeriums haben bis Ende September 6.175 Kinder und Jugendliche, die ohne Begleitung kamen, um Asyl angesucht. Gegenüber 2014, als 2.260 Minderjährige Personen Anträge gestellt haben, ist das eine gewaltige Steigerung. Mit einem Anteil von 89 Prozent ist der Großteil dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zwischen 14 und 18 Jahre alt. 380 Antragsteller sind jünger als 14 Jahre.

Frage: Sind tatsächlich alle Antragsteller minderjährig, oder gibt es Zweifel an deren Angaben?

Antwort: Die Behörden zweifeln ganz massiv an den Angaben der Antragsteller und geben regelmäßig Gutachten in Auftrag, mit denen das wahre Alter der Antragsteller ermittelt werden soll. Allein heuer wurden 2.195 Gutachten in Auftrag gegeben, also bei mehr als einem Drittel der Antragsteller. Laut Innenministerium wurde in 48 Prozent dieser Fälle die Volljährigkeit festgestellt, haben die Angaben aus Sicht der Behörde also nicht gestimmt.

Frage: War das in den vergangenen Jahren auch schon so?

Antwort: Das Innenministerium führt eine Statistik über die Feststellung der Volljährigkeit, in den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Antragsteller von 488 im Jahr 2006 stetig gestiegen, der Prozentsatz derjeniger, bei denen amtsseitig die Volljährigkeit festgestellt wurde, schwankte in den Jahren zwischen acht und 26 Prozent.

Frage: Wie wird die Volljährigkeit festgestellt?

Antwort: Wenn der zuständige Referent beim Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen Zweifel an den Angaben oder an der Richtigkeit der vorgelegten Dokumente hat, kann er eine Altersfeststellung in Auftrag geben. Es gibt eine sogenannte kleine Altersfeststellung, das ist eine Röntgenuntersuchung der Handwurzel, mithilfe derer kontrolliert wird, ob die Wachstumsfugen bereits geschlossen sind. Bleiben Zweifel, kann eine "große Altersfeststellung" in Auftrag gegeben werden. Diese kann eine Computertomografie des Schlüsselbeins, die Erstellung eines Zahnstatus sowie eine "Körperbeschau", in der die Körperbehaarung und die Geschlechtsteile begutachtet werden, umfassen.

Frage: Wie verlässlich ist diese Altersfeststellung?

Antwort: Kritiker halten sie nicht für wissenschaftlich exakt und verweisen auf eine Schwankungsbreite von zwei Jahren. Außerdem gebe es unterschiedliche Ergebnisse je nachdem, ob diese Gutachten in Wien, Graz oder Linz erstellt werden. Kritisiert werden auch die hohen Kosten: Ein umfassendes Gutachten kostet etwa 1.000 Euro pro Person. Allein heuer beliefen sich die Kosten auf eine Million Euro im ersten Halbjahr.

Frage: Was macht es für einen Unterschied, ob ein Asylwerber minderjährig oder volljährig ist?

Antwort: Ein Minderjähriger, dem Asylstatus oder subsidiärer Schutz zugestanden wird, hat das Recht auf Familienzusammenführung, er kann also seine Eltern und Geschwister nachholen. Das soll übrigens geändert werden und künftig erst Jahre nach Zuerkennung des Asylstatus möglich werden. Außerdem bietet die Minderjährigkeit einen gewissen Schutz vor Abschiebung – das Dublin-Abkommen, wonach in jenes EU-Land abgeschoben werden kann, in das der Flüchtling zuerst eingereist ist, wird in diesen Fällen kaum angewandt. Minderjährige Asylwerber werden außerdem anders untergebracht als volljährige. Minderjährige sollten in Wohngruppen mit intensiverer Betreuung untergebracht werden.

Frage: In wie vielen Fällen holen Minderjährigen, denen der Asylstatus zuerkannt wird, tatsächlich ihre Familie nach?

Antwort: Laut Angaben des Innenministeriums und der Asylkoordination dürfte das bei etwa zehn Prozent der Fall sein, dann in erster Linie die Mutter und weitere Geschwister. Warum das nur in so wenigen Fällen geschieht, liegt nach Angaben der Asylkoordination an drei Gründen: Die Verfahren dauern zu lange und es ergibt sich daher die Volljährigkeit, die Eltern haben ihrerseits keine oder keine glaubwürdigen Dokumente (die Behörden ordnen in vielen Fällen auch DNA-Tests an) oder es sind schlicht die Kosten für die Reise zu hoch.

Frage: Wo werden minderjährige Asylwerber untergebracht?

Antwort: Alle Bundesländer erfüllen die Quoten, zu denen sie sich selbst verpflichtet haben, nicht. Mit Ausnahme von Niederösterreich, was allerdings Interpretationssache ist. Rechnet man diejenigen minderjährigen Asylwerber, die in Niederösterreich von Einrichtungen des Bundes untergebracht sind und vom Bund auch finanziell versorgt werden, heraus, erfüllt Niederösterreich die Quote nicht, da ergibt sich eine Diskrepanz von 300 Personen. Nimmt man die Bundesbetreuung hinzu, was im Falle Traiskirchens massiv zu Buche schlägt, hat Niederösterreich einen Ist-Stand von 2.264 minderjährigen Flüchtlingen gegenüber einem Soll von 936. Im Flüchtlingslager Traiskirchen halten sich derzeit mehr als 1.200 minderjährige Asylwerber auf, wenigstens 50 davon sind unter 14-Jährige.

Frage: Woher kommen die minderjährigen Asylwerber?

Antwort: In den meisten Fällen aus Afghanistan. Heuer waren bereits 65 Prozent der unbegleiteten minderjährigen Asylwerber aus Afghanistan, 15 Prozent aus Syrien. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge aus Afghanistan steigt übrigens insgesamt stark an, nach aktuellen Angaben aus dem Innenministerium haben die Afghanen die Syrer im November in der Statistik überholt, 5.700 Asylanträge wurden von afghanischen Staatsbürgern, 3.700 von syrischen gestellt. (Michael Völker, 25.11.2015)