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Müssen Flüchtlinge lange auf Hilfe warten, werden bestehende Traumata länger verschleppt, als nötig wäre.

Foto: reuters/LEONHARD FOEGER

Berlin – Flüchtlinge, die schnell eine Arbeit aufnehmen und in die Gesellschaft integriert werden, leiden seltener unter psychischen Erkrankungen. Angesichts anhaltend hoher Flüchtlingszahlen veranstaltete die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und ärztliche Psychotherapie (DGPM) eine Fachtagung, bei der Psychosomatiker, Psychiater und Psychologen Mindeststandards für die Versorgung traumatisierter Flüchtlinge erarbeiteten.

Maßgeblich für die psychische Gesundheit von Flüchtlingen sei, so die Experten, eine zügige Integration in Schule, Arbeitsmarkt und Gesellschaft. In vielen Fällen könne erst unter solch gesicherten Verhältnissen ein Trauma erkannt und behandelt werden. Außerdem brauchen auch die ehrenamtlichen Helfer mehr Unterstützung.

Alte und neue Traumata

Ein ungeklärter Aufenthaltsstatus, keine Arbeitserlaubnis und zu wenige kompetente Ansprechpartner: Studien zeigen, dass nicht nur die traumatischen Erlebnisse im Herkunftsland, sondern auch anhaltende Frustrationen durch bürokratische Verwaltungsmaßnahmen die psychische Gesundheit von Flüchtlingen nachhaltig beeinträchtigen können.

Umgekehrt erreichen Flüchtlinge, deren Aufenthalts- und Arbeitsstatus schneller geklärt werden, eine bessere Anpassung und Teilnahme an der Gesellschaft. In den ersten Monaten im Aufnahmeland sind Flüchtlinge mit der Sicherung ihrer existentiellen Bedürfnisse beschäftigt und suchen selten wegen psychischer Beschwerden den Kontakt zum Arzt, so die Erfahrung der Experten.

"An erster Stelle müssen intensive Integrationsbemühungen in Gesellschaft, Schule und Arbeit stehen. Wenn Flüchtlinge dennoch Symptome psychischer Erkrankungen zeigen, beispielsweise eine Traumafolgestörung, müssen wir passgenaue Behandlungen anbieten", sagt die DGPM-Expertin Yesim Erim. Die Flüchtlinge müssten dann in Zentren unterstützt werden, die neben der Psychotherapie, Sprach- und Kulturvermittler, Sozialarbeiter und beispielsweise auch juristische Beratung anbieten, so die Leiterin der Abteilung für Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin am Universitätsklinikum Erlangen.

Hilfe für Helfer

Liegt ein psychisches Leiden bei einem Flüchtling vor, ist dies immer auch eine Herausforderung für den behandelnden Arzt: Da die Flüchtlinge in den meisten Fällen keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben, müssen ausgebildete Dolmetscher die Therapiegespräche begleitetet. Bisher gibt es viel zu wenige davon.

Nicht zuletzt die ehrenamtlichen Helfer waren Thema der Konferenz. "Wir haben erkannt, dass wir fachfremde Menschen, deren Hilfe in der Flüchtlingsbetreuung ja essentiell ist, darin unterstützen müssen, ihre Erlebnisse mit den Flüchtlingen zu verarbeiten – ansonsten droht eine sogenannte sekundäre Traumatisierung", sagt Harald Gündel, Mediensprecher der DGPM.

Dazu gehörte es beispielsweise, die Helfer über verschiedene psychische Krankheitsbilder aufzuklären. Dann könnten sie schon in der alltäglichen Betreuung neu angekommener Flüchtlinge dabei unterstützen, jene auszumachen, die professionelle Hilfe aufgrund psychischer Störungen benötigten. (red, 14.12.2015)