Heinz-Christian Strache zu Besuch in Spielfeld.

Foto: Der Plankenauer

Spielfeld – Kalt ist es geworden in Spielfeld. Eisiger Nebel zieht abends von den Weinbergen herunter, die Flüchtlinge, die tagsüber eintreffen – an die tausend täglich –, werden in den mittlerweile den gesamten Grenzbereich umspannenden weißen Zelten versorgt und umgehend weitertransportiert.

Es herrscht nach außen hin wieder Ruhe im steirischen Spielfeld, unter Grenzbewohnern aber gärt es weiter. Durch das chaotische politische Handling der Flüchtlingszuwanderung vor Ort und den letztlich skurrilen Zaunbau quer durch das Weingebiet hat sich ein aggressiv-emotionaler Cocktail zusammengebraut – ideal für Radikalpopulisten eines Taschenformats wie Heinz-Christian Strache.

"Ich bin für euch da"

"Ich bin für euch da", posaunte der FPÖ-Chef am Montagabend im alten, kleinen, stickigen Kultursaal von Spielfeld in eine Hundertschaft an Grenzbewohnern, die zu dem von der FPÖ organisierten "Bürgerstammtisch" gekommen waren. Journalisten waren unerwünscht, es bedurfte einiger Überredung, um eingelassen zu werden.

Strache braucht in dieser eingeschworenen Runde keine Aufwärmrunde. Er ist thematisch gleich beim Punkt: "Wir müssen kämpfen für unsere europäischen christlichen Werte, für unser Brauchtum. Und dass der Wahnsinn nicht weiter um sich greift. Da wird ja heute schon diskutiert, ob die Kreuze in Schulklassen verschwinden sollen, ob der Nikolaus überhaupt noch in die Kindergärten hineindarf, ob man Schweinefleisch überhaupt noch essen darf. Das ist ja ein Wahnsinn, wo sind wir angekommen? Wer zu uns kommt und es ihm nicht passt, soll besser heute als morgen …" Der Rest geht im tosenden Applaus und den "Ja, so is' es"-Rufen unter.

"Zuwanderungslawine"

Und jene tausenden Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten über Spielfeld ins Land gekommen seien, sie alle hätten quasi kein Recht darauf, hier in Europa zu sein. "Rund um Syrien werden Aufnahmezentren geschaffen, dort sind die Kriegsflüchtlinge in Sicherheit. Diese Kriegsflüchtlinge, die dann nach Europa aufgebrochen sind, waren also bereits in Sicherheit. Keiner der Flüchtlinge hat einen Rechtsanspruch, nach Europa zu kommen", poltert Strache und wird immer wieder von zustimmendem Applaus unterbrochen. Diese "Zuwanderungslawine" müsse gestoppt werden. Es gebe kein Recht auf Zuwanderung, nur "das Recht auf Heimat"; "unser Wohlstand" sei gefährdet. Und schuld seien eigentlich die USA, die uns das alles eingebrockt haben. Spätestens jetzt hat er sie alle eingesackt.

Aber er legt noch nach. Und prahlt mit angeblichen Infos aus dem russischen Geheimdienst.

Strache: "Die Flüchtlinge wollen sich nicht registrieren lassen, weil sie irgendwas im Schilde führen. Der russische Geheimdienst sagt, 1,5 Millionen vorwiegend muslimische Männer sind dieses Jahr nach Deutschland zugewandert. Mindestens zehn Prozent davon sind laut russischem Geheimdienst radikale Islamisten. Das heißt, 150.000 nur dieses Jahr." Für Österreich, so reimt sich Strache sein Zahlenmaterial zusammen, bedeute das "15.000 radikale Muslime", die im Land angekommen seien. Und schon ist er bei den islamischen Kindergärten in Wien. "Wir subventionieren die Kindergärten mit Steuergeld, damit die radikalislamistischen Kopfabschneider auch für die Zukunft bei uns gezüchtet werden." Heftige Akklamationen im Spielfelder Kultursaal.

Strache angeblich selbst im Visier

Aber das war noch nicht alles von den "russischen Geheimdiensten". Diese rechnen auch mit Anschlägen, will Strache exklusiv wissen. Auch er sei schon in deren Visier gestanden. Der österreichische IS-Jihadist Mohamed M. habe nicht nur Anschläge in Fußballstadien geplant, "er wollte auch mich liquidieren mit einem Scharfschützen am Viktor-Adler-Markt".

Es gebe jedenfalls ein ordentliches Bedrohungsszenario auch in Österreich, und geht es nach dem FPÖ-Chef, sollten sich alle mit Waffengewalt zur Wehr setzen können. Zumindest potenziell. Strache: "Wenn in Deutschland von den 150.000 Radikalen ein paar tausend und bei uns ein paar tausend gezielt an einem Tag losschlagen, dann möchte ich gar nicht nachdenken, welcher Wahnsinnsschaden dann entsteht. Aber dann erlebe ich, wie linke Politiker legalen Waffenbesitz verbieten wollen. Damit jeder Jäger und jeder unbescholtene Bürger in Zukunft keine halbautomatische Waffe mehr besitzen darf. Man macht dann das, was in allen Diktaturen üblich gewesen ist, vom Stalin beginnend bis zum Hitler: Man hat begonnen, das eigene Volk zu entwaffnen. Damit sich die eigene Bevölkerung ja nicht gegen Fehlentwicklungen zur Wehr setzen kann."

Angst um den "Österreicher"

Und dann sieht Strache den Halbmond auf Österreichs Dächern. Es werde nicht lange dauern, und "der Österreicher" werde in der Minderzahl sein und die Scharia ante portas. "Wenn wir nicht dagegenhalten", ruft Strache in die laut klatschende Menge.

Aber: Es werde sich jetzt in ganz Europa ohnehin alles zu einem Besseren wenden. Mit Marine Le Pen etwa, dieser für Strache "hochanständigen, intelligenten Frau", oder der Alternative für Deutschland (AdF) mit ebensolchen "hochanständigen Menschen". Überall in Europa breche etwas auf. Und Strache fühlt sich als Teil davon. Und er wähnt die Bewohner dieses Landstrichs dabei an seiner Seite. Den Ovationen nach zu schließen ist das fraglos an diesem Abend der Fall. (Walter Müller, 15.12.2015)