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Eineinhalb Jahre lang war Jason Rezaian ein Spielball der Politik (Archivfoto von 2013).

Foto: AP Photo/Vahid Salemi

Der amerikanisch-iranische Journalist Jason Rezaian ist nach monatelanger Gefangenschaft im Iran freigelassen worden. US-Außenminister John Kerry bestätigte am Samstagabend, dass insgesamt fünf US-Bürger freigelassen wurden. Vier von ihnen, darunter "Washington Post"-Korrespondent Rezaian, wurden am Sonntag aus Teheran ausgeflogen.

In einer der letzten Geschichten vor seiner Festnahme hatte Rezaian über eine Drogenentzugsklinik am westlichen Stadtrand von Teheran berichtet; ein Rehabilitationszentrum, in dem ausschließlich Frauen behandelt werden. Rund 700.000 Iranerinnen seien drogenabhängig, zitierte er aus einer vertraulichen Statistik – und fügte hinzu, dass es sich um eine "wachsende Klasse von Menschen" handle, deren Probleme die traditionelle islamische Gesellschaft am liebsten unter den Teppich kehren würde.

Allein die Existenz dieser kleinen Klinik in einem Teheraner Gewerbegebiet zeige indes eines: Allmählich beginne sich diese durchaus differenzierte Gesellschaft der unbequemen Wahrheit zu stellen, statt sie noch länger zum Tabu zu erklären, so Rezaian.

Privilegierte Rolle als Berichterstatter

Rezaian war damals Iran-Korrespondent der "Washington Post" und gleichzeitig der einzige amerikanische Staatsbürger, der permanent als Auslandskorrespondent in der Islamischen Republik arbeiten durfte. Akkreditiert im Jahr 2012, lieferte er Einblicke, die die Leser seiner Zeitung bis dahin nicht hatten: nicht das Übliche, was man sowieso schon über den "Gottesstaat der Mullahs" zu wissen glaubte.

Facettenreich schrieb er über den real existierenden Iran, über ein Land, das für die Amerikaner seit Khomeinis Revolution und dem Abbruch diplomatischer Beziehungen eine Art Terra incognita ist und das die Aufgeschlosseneren unter ihnen daher umso mehr interessiert. An einem College in New York hatte Rezaian Farsi gelernt; er wollte das Land ergründen, das sein Vater in den 1960er-Jahren verlassen hatte.

Urteil ohne konkrete Vorwürfe

Am 22. Juli 2014 wurde er, zusammen mit Yeganeh Salehi, einer Journalistin, die er im Iran geheiratet hatte, in seiner Wohnung in Teheran festgenommen. Während Salehi nach drei Monaten freikam, blieb Rezaian hinter den Gittern des berüchtigten Evin-Gefängnisses.

Als er im vergangenen Mai vor einen Richter gestellt wurde, geschah es unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nicht einmal seiner aus Kalifornien angereisten Mutter Mary gestatteten die Behörden, während der Verhandlung im Saal zu sitzen. Die Anklage lautete auf Spionage, im Oktober wurde der Reporter für schuldig befunden, ohne dass man jemals erfahren hätte, was ihm konkret zur Last gelegt wurde.

Viele Monate Verhandlungen

Die "Washington Post" sprach von einer Farce, und US-Präsident Barack Obama sagte, Jason Rezaian sei seiner Freiheit aus einem einzigen Grund beraubt: "weil er von den Hoffnungen und Ängsten der Iraner erzählte". Man darf annehmen, dass der heute 39-Jährige zum Spielball eines Machtkampfs wurde, des Tauziehens zwischen Hardlinern und Gemäßigten an der Spitze der Islamischen Republik.

Folgt man einem Bericht des Magazins "New Yorker", standen die Geheimgespräche über die Freilassung Rezaians und anderer inhaftierter Amerikaner (des früheren Marineinfanteristen Amir Hekmati, des Pastors Saeed Abedini und Nosratollah Khosrawis, eines Mannes, über den bisher so gut wie nichts bekannt ist) in den vergangenen zwölf Monaten mehrmals kurz vor dem Durchbruch. Jeweils in letzter Minute sei etwas dazwischengekommen, schreibt Robin Wright, die beste Iran-Kennerin des Magazins. Auch das ein Indiz für die heftige Auseinandersetzung, die sich die iranischen Fraktionen hinter den Kulissen geliefert haben dürften.

Verhandlungen schwieriger als der Atomdeal

Die Verhandlungen, zumeist in Genf geführt, seien in mancher Hinsicht noch schwieriger gewesen als jene über das Atomabkommen, zitiert Wright die US-Spitzendiplomatin Wendy Sherman. "Weil es um das Leben von Menschen ging, um den Schmerz ihrer Familien, die Qualen ihres Alltags." 544 Tage saß Jason Rezaian am Ende in Haft, länger als die amerikanischen Diplomaten, die 1979 beim Sturm auf die Teheraner US-Botschaft als Geiseln genommen wurden. (Frank Herrmann aus Washington, 17.1.2016)