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Der schwedische Konzern Ikea betreibt weltweit rund 370 Möbelhäuser.

APA/EPA/Peter Kruger/TT

Wien – Ikea verkauft nicht nur Billy-Regale und Pax-Schränke. Der Möbelbauer bietet seinen Kunden an, Teil eines speziellen Lebensgefühls zu werden. Ein familienfreundliches skandinavisches Unternehmen, das Käufer mit "Du" anredet: Dieses freundliche Gesicht zeigt Ikea gerne.

Doch ein von der Grünen-Fraktion im Europaparlament am Freitag vorgelegter Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass das schwedische Unternehmen noch ein zweites Gesicht hat. Ikea nutze eine länderübergreifende Firmenstruktur dazu, um seine Steuerlast in Europa massiv zu minimieren. Hunderte Millionen Euro erspare sich der Konzern auf diese Weise.

Im Fokus steht eine niederländische Gesellschaft, die Inter Ikea Systems BV. Jedes der 370 Möbelhäuser des Franchiseunternehmens muss drei Prozent seiner Verkaufserlöse an die Ikea Systems abführen. Das ist eine Pauschale für die Nutzung des Markennamens. In Österreich beliefen sich die Lizenzzahlungen im Geschäftsjahr 2014 auf 16 Millionen Euro. Diese Beträge schmälern die Höhe des Firmengewinnes, also die Steuerschuld. Lizenzgebühren zu zahlen ist nichts Ungewöhnliches.

Geldflüsse in die Niederlande

Außergewöhnlich ist laut den Grünen, wie Ikea mit diesem Geldfluss in den Niederlanden weiter verfährt. Der absolut größte Teil des Geldes wird aus dem Land nämlich postwendend wieder rausgeschafft. Dazu bedient man sich eines konzerninternen Kredites. Ikea Systems hat sich 2012 ein Darlehen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro bei einer anderen Ikea-Gesellschaft namens Interogo in Liechtenstein geholt.

Ikea Systems in den Niederlanden muss dieses Darlehen abbezahlen: Zwischen 2012 und 2014 beliefen sich die Rückzahlungen auf fast eine Milliarde Euro. Das Geld landet bei einer zwischengeschalteten Gesellschaft in Luxemburg, wo es mit 0,06 Prozent besteuert wird. Die Luxemburger zahlen ihrerseits eine Dividende an Interogo in Liechtenstein. Interogo ist eine Stiftung, die Dividende bleibt daher steuerfrei.

Eine Milliarde erspart

In den Niederlanden wird nur der kleine im Land verbliebene Teil der Gewinne erfasst. Laut den Grünen liegt die reale Steuerquote Ikeas auf die Lizenzgebühren daher zwischen null und fünf Prozent. Nach einer Schätzung könnte sich der Konzern zwischen 2009 und 2014 eine Milliarde Euro an Steuern in der EU legal erspart haben, heißt es im Bericht. Für Österreich betrug die Ersparnis vier Millionen Euro.

Vor 2012 sah das Modell mit den Zahlungsflüssen über die Niederlande anders aus. Das Ziel der Steueroptimierung war aber das gleiche.

Aggressive Steueroptimierung

Es nicht das erste Mal, dass die Praktiken des 1943 in Schweden gegründeten Konzerns Schlagzeilen machen. Firmengründer Ingvar Kamprad, ein heute 89-jähriger Selfmademilliardär, wird oft der aggressiven Steueroptimierung bezichtigt. Bisher gab es keine Schätzungen dazu, wie viel die Praktiken einzelne EU-Staaten kosten.

Bei Ikea Österreich bestätigt man die Höhe der Lizenzgebühr. Ikea zahle aber in jedem Land, wo man tätig sei, entsprechend den Gesetzen Steuern und Abgaben. Ikea Österreich hatte zuletzt einen Umsatz von 540 Millionen Euro, der Vorsteuergewinn lag bei 22 Millionen. Ikea veröffentlicht keinen umfassenden Geschäftsbericht – aus Firmenbuchmeldungen lässt sich nicht herauslesen, wie viel Steuern auf Gewinne gezahlt wurden. Laut Ikea beliefen sich die Unternehmenssteuern für die vergangenen fünf Jahre auf 58,75 Millionen.

Viel Interpretationsspielraum

Wie die österreichische Finanz Ikeas Lizenzzahlungen behandelt, ob sie voll anerkannt werden, ist wegen des Steuergeheimnisses unbekannt. In Österreich gelten eher strikte Regeln. Ins Ausland geleistete Lizenzzahlungen dürfen seit Februar 2014 nur mehr bedingt als Betriebsausgabe geltend gemacht werden. Die "vorgesehene Steuerermäßigung" im Ausland darf nicht dazu führen, dass der reale Steuersatz dort auf weniger als zehn Prozent sinkt.

Doch laut Alexander Lang, einem Steuerexperten von Deloitte, lässt diese Bestimmung Interpretationsspielraum. Formal gibt es in den Niederlanden für Ikea ja keine richtige Steuerermäßigung, sondern ein Großteil der Zahlungen wird gar nicht erfasst.

Die EU-Kommission hat zuletzt eine Reihe von Vorschlägen vorgelegt, um Steueroptimierung in Europa zu bremsen, Unternehmen müssen etwa melden, in welchem Land sie wie viele Abgaben entrichten. "Der Kommissionsvorschlag lässt große Lücken offen", sagt der österreichische Grünenabgeordnete Michel Reimon. "Jede Steuerlücke für Großkonzerne bedeutet eine Lücke im Budget – und damit eine Lücke im Sozial-, Gesundheits- und Bildungssystem." (András Szigetvari, 12.2.2016)