Wien – An diesem Fahrzeug lässt sich exemplarisch ablesen, wie wenig einige den Minderheitenschutz verinnerlicht haben: Obwohl das GLE Coupé in Relation zum Fahrzeuggesamtabsatz ein totales Minderheitenprogramm darstellt, schlägt ihm teilweise erbitterte Feindschaft entgegen – wie schon BMWs X6, dessen Konzept Mercedes hier volley übernommen hat.
SUV und pfui und deutscher Panzer, tönt es aus einer Ecke, die Sozio- und Psychologen als pseudoreligiös festgemacht haben; mit Gläubigenschar, Dogmenkanon, allein seligmachender Botschaft, Priestern, Ketzertum, ewiger Verdammnis. Das ganze Programm. Ökoreligion nennen die Wissenschafter das, und ein Auto wie dies ist ein wahrer Gottseibeiuns.
In erstaunlichem Kontrast dazu steht das Interesse, das dem durchaus trendigen Riesending in der Außenwelt entgegenschlägt. Guido zum Beispiel kam kaum zum Fotografieren, da sich eine Dame mit ihrem Auto extra vor das GLE Coupé gestellt hatte, um diesen ausführlich zu begutachten.
Otto B., unser Bildbeobachter – nein: Bildbearbeiter, sonst allenfalls mit Porsche beeindruckbar, zeigte ebenfalls deutliche Anzeichen von Neugier, etliche weitere Standard-Kollegen ebenfalls, und in freier Wildbahn lernt man rasch viele Menschen kennen und kann neue Freundschaften schließen.
Mit diesem Herrn aus Germaniens Gauen im 5er BMW etwa, der an der Ampel das Seitenfenster runterließ. "Was ist das denn? Noch nie gesehen!" "Quasi das Mercedes-Pendant zum X6." "Ja eben – wie lange gibt's den schon?" "Seit Sommer." "Kostenpunkt?" "Über 75.000 Euro – ohne Extras." Ampel springt auf Grün, er rasch den Daumen hoch, schönen Tag noch und viel Spaß.
Also. Was haben wir da vor uns. Einen ausgewachsenen fünftürigen SUV (Typ) und ein Coupé (Silhouette). Einen Machoriegel von Auto – und mit 4,90 m dennoch praktisch gleich lang wie ein Ford Mondeo Traveller (4,87 m). Außer dem Minderheitenbild könnte man auch eines aus der Fotografie bemühen: Beim Außendesign ist das ein richtiger Polarisationsfilter. Muskulös und kraftvoll und selbstbewusst steht das Coupé da, mit seitlichen Trittbrettern und mächtigem Stern an der Front.
Trittbrettfahrer
Ja, die Trittbretter. Sehen lässig aus und sind vielleicht sogar sinnvoll beim Besteigen dieser Trutzburg, sorgen aber für schmutzige Wadeln – todsicher streift man mit dem Bein dran, bis man sich eine ausgefeilte Boardingstrategie zurechtgelegt hat. Anstreifen kann einem auch hinten passieren, wegen der hohen Ladekante des Kofferraums, der mit 650 l Volumen obendrein nicht eben als Hauptkaufargument zu nennen wäre.
Bestimmt kein Schmutz ist der Innenraum. Mercedes hat sich da zurück nach oben gekämpft, und sosehr die äußere Erscheinung polarisieren mag, so allgemeingefällig, stilsicher wirkt das Interieur. Geschmackvoller Materialmix, noble Anmutung. Dies, exzellente Sitze, das trotz Coupélinie großzügige Raumangebot und ein riesiges Panoramaglasdach schaffen luftige Wohlfühlatmosphäre.
So einen 2,26-Tonner darf man natürlich nicht mit einem Sportwagen verwechseln. Wie schon beim X6 ist aber auch hier erstaunlich, was die Ingenieure an Fahrdynamik ermöglichen. Klar, auch bei einem Rhinozeros, das sich angesichts der Masse aus der Fauna zum Vergleich anböte (womit wir beim Artenschutz wären), täuscht man sich; es sprintet schneller los, als man dies für möglich hielte. Doch das GLE Coupé hält das auch auf der Langstrecke durch – und wird dem Menschen angesichts zahlreicher Sicherheitssysteme auch viel weniger gefährlich.
Verwunderlich, wie gesagt, wie präzise und flott (immer in Relation zum Fahrzeugtyp) sich dieser Benz dort bewegen lässt, wo die Straßen nicht ausschließlich gerade verlaufen. Artgerecht auch die Motorisierung: 350d steht für einen 3,0-V6-Diesel mit 258 PS, und beim Klangbild beginnt nun also auch Mercedes, an der Kultiviertheit zu feilen. Klingt im Dauerlauf dezent und kaum nach Diesel, hört sich beim Kickdown dann nach Gewittergrollen an, und apropos: Nach 7,0 Sekunden sind wir von null auf 100. Porsches Ur-911 von 1974 benötigte dafür 9,0.
Als Getriebe fungiert die wunderbare 9-Gang-Automatik, mit der Mercedes endlich wieder Anschluss findet an das 8-gängige ZF-Prachtstück. Laut Bordcomputer ergab sich bei einem richtig ambitionierten Fahrprofil ein Verbrauch von knapp 11 l / 100 km – in Relation zu Fahrleistung und Dickschiff nicht übel. Vor kurzem erst kamen wir im Hyundai Santa Fe mit 2,2-Liter-Diesel und 200 PS auf nur einen Liter weniger.
Fazit: Wer dem Konzept was abgewinnen kann, wird mit dem Auto seine helle Freude haben. (Andreas Stockinger, 22.2.2016)
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