Acht von zehn Österreicherinnen und Österreichern sind laut einer Befragung der Statistik Austria (2013) gesundheitlichen Belastungen am Arbeitsplatz ausgesetzt. Verantwortlich dafür sind einerseits gestiegene Anforderungen im Job – aber auch Bürogebäude selbst, sagt Arbeitsmediziner und Baubiologe Heinz Fuchsig. Ihre Architektur würde sich häufig negativ auf die Arbeitnehmer auswirken. Vor allem vorkommen würde das bei modernen Büros.

Gesundem Arbeiten wenig zuträglich seien erstens Glasfassaden. Der Grund: "Alles, was in der direkten Umgebung dreimal so hell leuchtet wie der Bildschirm, also etwa große Fenster, blendet." Die Folge seien Müdigkeit und Kopfschmerzen. Glasfassaden würden das Büro zudem im Sommer stark erhitzen. "Die Leute sitzen also hinter ständig heruntergelassenen Jalousien und haben erst recht keinen Ausblick ins Freie." Die bessere Alternative, sagt Fuchsig, seien kleinere, gut isolierte Fenster. In der "Auslage" zu sitzen führe ebenso zu Unbehagen.

Große Fensterwände sind dem gesunden Arbeiten offenbar wenig zuträglich. Ebenso wenig "kalte" Farben wie Grau oder Weiß.
Foto: iStock

Auch Mobiliar entscheidend

Auch in puncto Innengestaltung würde bei vielen Büros einiges im Argen liegen. Das fange bei den Farben von Wand und Mobiliar an, sagt Fuchsig: "Meistens werden eher kalte, anonyme Farben wie Weiß oder Grau verwendet." Dem Arbeitsmediziner zufolge die falsche Entscheidung: "Das sieht im Prospekt toll aus, sorgt aber nicht dafür, dass man sich am Arbeitsplatz wohlfühlt." Besser: warme, naturnahe Farben wie helles Braun oder Gelb.

Auch vor Großraumbüros warnt der Experte. "Studien zeigen: Sie haben überwiegend Nachteile." Der größte ist offenbar der Lärm. Wie eine Befragung des Schweizer Staatssekretariats für Wirtschaft und der Hochschule Luzern zeigt, klagt die Hälfte der in einem Großraumbüro Arbeitenden darüber, von Gesprächen des Gegenübers gestört zu werden. "Um dem entgegenzuwirken, braucht es Trennwände, die Geräusche verlässlich schlucken." Ein weiteres Problem bei Großraumbüros ist, dass sie die Zahl der Krankenstände nachweislich erhöhen. Schuld daran sei einerseits die höhere Ansteckungsgefahr, sagt Fuchsig, andererseits, dass man darin seltener die Sitzhaltung ändere, sich insgesamt weniger bewege. "Ein Grund dafür ist sicher Reizüberflutung. Dadurch nimmt man den eigenen Körper mit seinen Bedürfnissen weniger wahr." Ein schlechtes Raumklima ist in Großraumbüros ebenfalls oft Thema. "Wenn die Luft zu trocken ist, kommt es zu Augenbrennen und Müdigkeit, die Infektionsraten steigen, und Stimmbelastungen nehmen zu." Eine gut gewartete Klimaanlage sei unabdinglich.

Zu warm, zu kalt, Zugluft

Auch bei der Regelung der Temperatur stoße man in Großraumbüros schnell an Grenzen, denn hier habe jeder ein anderes Empfinden. "Der eine war gerade auf Urlaub und ist schon im Sommer angekommen, die andere ist noch winterlich eingestellt und auch entsprechend gekleidet." Während man sich in kleineren Büros leichter einigen könne, gebe es in großen "viel häufiger Probleme mit Hitze, Kälte oder Zugluft". Auch für die Zusammenarbeit habe ein Großraumbüro, entgegen herrschenden Annahmen, Nachteile. "Zu sechst kann man gut Kompromisse schließen, in einem Raum mit mehr Leuten nicht."

Ebenso unpraktisch seien Glasfassaden. Durch sie werde man leicht geblendet, was Kopfschmerzen und Müdigkeit verursacht, sagt Arbeitsmediziner und Baubiologe Heinz Fuchsig.
Foto: CA Immo

Über Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz entscheide schließlich auch das Mobiliar. Bürosessel müssten "unbedingt dreh- und verstellbar sein, die Rückenlehne den Rücken stützen". Moderne Designermöbel würden das selten bieten. Desksharing oder moderne Rollcontainer seien dem Wohlfühlen ebenfalls nicht zuträglich. Eine Studie der Universität Stockholm unter rund 2000 Angestellten kam gar zum Ergebnis, dass die Fehlzeiten mit Wechselarbeitsplätzen fast doppelt so hoch sind. Es mangele dadurch an der essenziellen Privatsphäre, sagt Fuchsig. Rollcontainer sollten "wenn, dann nur nach Zustimmung der Betroffenen eingeführt werden und hoch genug sein, um als Beistellstehtisch genützt zu werden. Für das Desksharing wären schnell per Gasfeder oder Motor höhenverstellbare Tische ideal."

"Sick Building": Was tun?

Wenn mindestens zehn Prozent der Belegschaft im Gebäude unspezifische Symptome entwickeln – etwa unerklärlicherweise müde sind, permanent Kopfweh oder gereizte Schleimhäute haben -, sprechen Fachleute von einem "Sick Building", einem krank machenden Gebäude. Wichtig sei, bauliche Mängel schon im Vorfeld auszuschließen, sagt Fuchsig. "Mit Architektur und Einrichtung Rahmenbedingungen für gutes Arbeiten zu schaffen lässt sich leichter bewerkstelligen, als etwa die Auswirkungen der Globalisierung zu verhindern." Arbeitsmediziner müssten bei der Planung herangezogen, Architekten schon im Studium auf Faktoren des Wohlfühlens ausgebildet werden.

"Großraumbüros haben überwiegend Nachteile", sagt Fuchsig.
Foto: iStock

Jene, die bereits in einem "Sick Building" arbeiten, sollten sich an den Betriebsrat oder die Arbeitsmedizin wenden, rät Petra Streithofer von der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit in der Arbeiterkammer Wien. "In Folge kann dann das Arbeitsinspektorat eingeschaltet werden, das Kontrollen durchführen kann."

Führungskräfte wiederum sollten ihren Mitarbeitern möglichst viel Spielraum beim Gestalten des eigenen Büros geben, sagt Fuchsig. "Wenn das die Nullachtfünfzehn-Pflanze ist, die auf dem Bürotisch steht, wird man sich weniger darum kümmern, als wenn man sie selbst ausgesucht hat." Sie sollten zudem dazu anregen, Verschiedenes auszuprobieren. "Jeder sollte etwa einen Stehtisch, ein Schrägpult oder eine Fußstütze testen dürfen." Beschwerden über Klima oder Temperatur gelte es ernst zu nehmen – dann sollten Maßnahmen gesetzt werden. "Denn wenn man nicht durch Lärm oder Hitze beeinträchtigt wird, kann man auch bessere Arbeit leisten." (Lisa Breit, 23.02.2016)