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Stillen polarisiert.

Foto: reuters

Es geschah just in Prenzlauer Berg. In jenem Berliner Bezirk, der wie kaum ein Ort für die Präsenz von Menschen mit Kindern im öffentlichen Raum steht – und der mit all seinen Hollandrädern, Kinderyoga-Kursen, Milchkaffee-Läden und Mittelstandsproblemen längst zum Klischee geronnen ist. Mitten in diesem Mutter-Vater-Kind-Bezirk also, auf der schönen Schönhauser Allee, betritt die Berlinerin Johanna Spanke vor wenigen Wochen mit ihrem drei Monate alten Sohn ein Café. Schon bei der Bestellung wird sie vom Personal darauf hingewiesen, dass Stillen im Lokal nicht erwünscht sei. Als Spanke beim Geschäftsführer nachfragt, ob denn verdecktes Stillen möglich sei, dezent hinterm Tuch, wird sie des Lokals verwiesen.

Keine Lust, in der Küche zu landen

"Ich hätte nie gedacht, dass Stillen in der Öffentlichkeit so ein Tabu ist", schreibt Spanke, die als Wissenschschaftliche Mitarbeiterin arbeitet, auf ihrer Facebook-Seite. Als Reaktion auf den Vorfall hat sie eine Petition gestartet, die sich an die deutsche Familienministerin Manuela Schwesig richtet. "Wir fordern ein Gesetz zum Schutz des Stillens in der Öffentlichkeit", ist darin zu lesen. Fast 12.000 Menschen haben die Petition bereits unterschrieben.

"Ich habe unterzeichnet, weil ich keine Lust hab, wieder in der Küche zu landen, weil ich Kinder bekommen habe!", schreibt eine Unterstützerin. Auch stillende Mütter hätten das Recht, am öffentlichen Leben teilzunehmen, formuliert es Spanke in ihrer Petition. Es könne nicht sein, dass Frauen, die sich fürs Stillen entschieden haben, ans Haus gefesselt werden.

Reaktion auf Beschwerden

Der Betreiber des Berliner Lokals verteidigt sich damit, dass sich Kunden in der Vergangenheit über stillende Mütter beschwert hätten. Es liege im Ermessen eines Lokalbetreibers, wer Gast sein soll, zitiert die "Berliner Morgenpost" den Berliner Hotel- und Gaststättenverband. Fühlten sich Gäste durch einen Besucher gestört, sei das ein legitimer Grund, bestimmte Gäste des Lokals zu verweisen. Johanna Spanke sieht das freilich anders: Sie versteht diese Regelung als klare Diskriminierung von stillenden Frauen. Mit ihrer Petition will sie dagegen ankämpfen.

Stillen polarisiert

Das Thema Stillen polarisiert immer wieder – aus unterschiedlichen Gründen. Da ist einerseits der hartnäckige Vorwurf an nichtstillende Mütter, dass sie ihren Kindern eine "wichtige Bindungserfahrung" und "gesundheitliche Vorteile" vorenthalten würden. Wenn Mütter aber stillen und dabei am öffentlichen Leben teilnehmen wollen, riskieren sie unangenehme Situationen wie jene, die Johanna Spanke widerfahren ist. Denn auch wenn nackte Frauenbrüste durch Werbung, Medien und Sexindustrie allgegenwärtig sind: In dem Moment, in dem sie nicht mehr dem (männlichen) Lustgewinn dienen, sondern der Versorgung eines Kindes, erzeugen sie offenbar Abwehr und Ablehnung.

Dieser Youtube-Clip thematisiert, welchen feindseligen Reaktionen Frauen ausgesetzt sind, die öffentlich stillen.
JoeySalads

(Lisa Mayr, 22.2.2016)