Verstopfungen sind unangenehm, aber lösbar. Das suggerierte ein Werbespot bei der diesjährigen Super Bowl.

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Man stelle sich die Situation im Stadion vor. Und ein Publikum, das auf die Superathleten des American Football wartet. Echte Männer. Stark. Schnell und wendig. In dieser aufgeheizten Atmosphäre dominiert Vorfreude. Und jene Werbungen, die unmittelbar vor dem Match laufen, sind die teuersten der Welt.

Coca-Cola, Heinz-Ketchup, Doritos: Da sind alle dabei. Dieses Jahr hat sich aber ein Clip in den Reigen gemischt, der inhaltlich aus der Reihe tanzt. Im zugegeben hervorragend gestalteten Werbefilm, geht es um einen Mann, der an Verstopfung leidet und all jene beneidet, die dieses Problem nicht haben. Für die Macher des in schwarz-weiß gehaltenen Clips scheint Woody Allen Pate gestanden zu haben. Subtile Anspielungen, leiser Humor und ein Protagonist mit sanft verzweifeltem Blick sollen Tabus in Bezug auf Verdauungsschwierigkeiten brechen.

OICisDifferent

Die Super Bowl als Werbeplattform gegen Verstopfungen.

Opioide und Nebenwirkungen

So weit, so menschlich. Allerdings geht es nicht um irgendeine Verstopfung, sondern jene Darmträgheit, die durch Schmerzmittel ausgelöst wird. "Opioide induced constipation" (OIC) ist der medizinische Fachbegriff, den eine grölende Menge im Super-Bowl-Stadion zu hören bekam. Dabei lernte man auch gleich, dass offensichtlich sehr viele Mitbürger ohne Opioide "ihre Schmerzen nicht mehr managen" können und dann darunter leiden, dass sich der Darm bewegt.

Das sind an sich ja wichtige Informationen. Tatsächlich sind Opioide wichtige Medikamente zum Beispiel in der Krebstherapie. Sie nehmen vorwiegend Einfluss auf die Weiterleitung und Verarbeitung der Schmerzinformation über die Schmerzbahnen zum Gehirn. Das Medikament bindet dabei an Rezeptoren im Darm und führt zu einer verstärkten Aufnahme von Wasser.

Unangenehm, aber lösbar. Suggeriert der Film und verweist auf eine Website. Die entscheidende Frage ist, inwieweit diese an sich überaus komplexe Dynamik zwischen Schmerz, Therapie und Nebenwirkungen von einem sportbegeisterten Publikum erfasst und verarbeitet wird. Auch Atemlähmung wäre eine Nebenwirkung von Opioiden. Für unbedarfter Zuseher bleibt ja auch nur die Verstopfung hängen und die ist schließlich lösbar. Und könnte es nicht auch gegen jede Art von Verstopfung wirken?

Formale Regeln beachtet

Die Gefahr, Begehrlichkeiten für Medikamente zu wecken, ist eindeutig gegeben. Die Gefahr, falsche Assoziationen zu knüpfen sicherlich auch. In den USA, dem Land mit dem Credo der persönlichen Selbstverantwortung, geht man die Frage offensichtlich gelassen an.

Die Macher des Abführmittels sind die großen Pharmakonzerne Astrazenca und Daiichi-Sankyo. Rein formal haben sie sich an die Regelungen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten gehalten, erwähnen niemals den Namen des Medikaments, immer nur die Therapie und fordern am Ende zu einem Arztbesuch auf.

Darüber, dass sie ihren Spot bei der Super Bowl zeigen wollen, waren sie wohl aber selbst auch aufgeregt. Und verschwiegen. Der Protagonist des Spots, der US-Schauspieler James Waterston, wusste zwar, dass es im Clip um ein Abführmittel gehen würde, war sich über das Millionenpublikums seines Auftritts allerdings nicht im Klaren.

Am Super Bowl-Abend klingelte sein Telefon nonstop. Er könnte eine Art Mister Proper der Abführmittel werden. Medikamentenwerbung kann viele unterschiedliche Nebenwirkungen haben. Man muss nicht immer Patient sein. (Karin Pollack, 10.3.2016)