Wien – Am Krankheitsverlauf einer speziellen seltenen Form von Epilepsie ist das sogenannte Komplementsystem des Immunsystems mitbeteiligt. Diese Schlussfolgerung legt eine vor kurzem publizierte Einzelfallstudie nahe, die von Jan Bauer vom Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien publiziert worden ist.

"Erst seit Kurzem wissen wir, dass es bei der immunvermittelten Epilepsie zwei Gruppen zu unterscheiden gilt. In der einen richtet sich das Immunsystem gegen innere Teile der Gehirnzellen. In der anderen wirkt es gegen Strukturen außen auf deren Oberfläche. Letztere Gruppe kann prinzipiell leichter mit Medikamenten behandelt werden, doch verstehen wir dazu derzeit noch zu wenig über die konkreten Krankheitsverläufe", erklärt Bauer.

Zwei schädliche Prozesse identifiziert

In der publizierten Einzelfalldarstellung geht es um einen 62 Jahre alten Patienten, der bereits seit drei Jahren epileptische Anfälle und kognitive Störungen hat. Es folgten chirurgische Eingriffe, die dem Team um Bauer Gewebeproben zur genaueren Analyse lieferten.

So gelang es, eine bekannte aber seltene Form der immunvermittelten Epilepsie zu diagnostizieren. Die Erkrankungsform des Patienten wird dabei als CASPR2-Antikörper-Assoziierte-Gehirnentzündung bezeichnet. Teile des spezifischen Immunsystems richten sich bei dieser Erkrankung gegen das Protein CASPR2. Dieses ist Bestandteil eines Kanalproteins, das den Kaliumgehalt von Nervenzellen reguliert und so Einfluss auf Nervenimpulse nimmt.

Den Wissenschafter gelang es, zwei schädliche Prozesse im Gehirn des Patienten zu identifizieren: Einer wird direkt durch Antikörper verursacht. Dabei sind die Schäden reversibel. In dem zweiten Prozess verursacht das sogenannte Komplementsystem des Immunsystems Schäden, die zu einem unumkehrbaren Verlust von Gehirngewebe führen.

Krankheitsverlauf stoppen

Das Komplementsystem ist ein entwicklungsgeschichtlich sehr altes System von Proteinen, das vor allem Krankheitserreger angreifen soll. Die wissenschaftlichen Analysen erlaubten schließlich eine gezielte Behandlung des Patienten. So konnten beide gehirnschädigenden Prozesse, die erkannt wurden, mit speziellen Medikamenten gestoppt werden. Die Krankheit verschlechterte sich nicht mehr, sondern besserte sich sogar zeitweise.

"Es ist zwar nur ein Einzelfall, den wir untersucht haben, doch es gelang uns erstmals, einen grundlegenden Prozess des Krankheitsverlaufs von CASPR2-Antikörper-Assoziierter-Gehirnentzündung detailliert zu beschreiben. Weitere Studien können nun gezielter durchgeführt werden, um unsere Beobachtungen zu bestätigen", so Bauer. Eine neue Behandlungsstrategie für mehr Patienten müsste aber erst entwickelt werden, so das Resümee des Forschers. (APA, red, 29.3.2016)