Der Moment, der die Kreidezeit beendete: Ein gewaltiger Asteroid schlägt vor der mexikanischen Halbinsel Yucatán ein. Nun soll der Ablauf der Ereignisse nach dem Impakt rekonstruiert werden.

Illu: Donald E. Davis, Nasa

Mithilfe dieser Bohrplattform werden in den nächsten Wochen und Monaten Bohrkerne aus dem Zentrum des Chicxulub-Kraters geholt.

Foto: Montco

Der Krater des Impakts liegt vor der Küste Yucatáns.

Karte: ESO

Die Schwereanomalie-Karte des Chicxulub-Kraters aus dem Jahr 2003 zeigt deutlich den äußeren und inneren Impaktring.

Illu.: USGS

Wien – Es hätte ein normaler spätkreidezeitlicher Tag wie viele andere zuvor sein können. Doch am Abend war die Welt eine andere: Ein Eindringling aus dem All brachte Tod, globale Zerstörung und ein neues Zeitalter mit sich. Der Impaktor aus dem äußeren Sonnensystem beendete die 150 Millionen Jahre dauernde Herrschaft der Dinosaurier abrupt. Mit den Dinos, von denen nur die Vögel überlebten, verschwand ein großer Teil der Tier- und Pflanzenarten an Land und im Meer.

Eine Forschungsexpedition des International Ocean Discovery Program (IODP) im Golf von Mexiko soll nun bei der Klärung der Frage helfen, was jener Schicksalstag des Lebens vor 66 Millionen Jahren an der Grenze zwischen Kreidezeit und Paläogen an konkreten Folgen brachte. Das mehr als zehn Millionen Euro teure Projekt wurde unter Beteiligung des österreichischen Impaktforschers und Direktors des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) Christian Köberl rund ein Jahrzehnt lang vorbereitet.

Drittgrößter Krater weltweit

Der Chicxulub-Krater im Norden der mexikanischen Halbinsel Yucatán ist mit einem Durchmesser von 180 Kilometern nicht nur der drittgrößte Krater auf der Erde, er gehört auch zu den am besten erhaltenen. Das mag paradox erscheinen, weil an der Oberfläche so gut wie keine Spuren zu sehen sind. Doch während andere Impaktstrukturen durch Erosion oder Gebirgsbildung zerstört sind, wurde der Krater unter einer hunderte Meter dicken Sedimentschicht konserviert. Von allen irdischen Einschlagskratern ist er der einzige mit erhaltenem innerem Ring, vergleichbare Strukturen sind zum Beispiel vom Schrödinger-Krater auf dem Mond bekannt.

Eine Offshore-Bohrung in diesem "Peak-Ring" soll Antworten zu seiner Entstehung und Zusammensetzung liefern. Außerdem wollen die Forscher untersuchen, ob Mikroorganismen rasch die lebensfeindliche Umwelt am Einschlagsort besiedelten und wie lange die Ozeane nach der Katastrophe zur Erholung brauchten.

Die vielfältigen Fragestellungen bedingen die Einbeziehung von Experten aus verschiedensten Fachbereichen, darunter Geologen, Geochemiker, Geophysiker und Paläontologen. Insgesamt sind dreißig Wissenschafter aus zwölf Ländern beteiligt. Aus Österreich ist der Impaktforscher Ludovic Ferrière vom NHM mit von der Partie.

Das Projekt vor Ort führt das European Consortium for Ocean Research Drilling (Ecord) durch. Rund zwei Monate lang wird das Hubschiff LB Myrtle den Forschern als Bohrinsel zur Verfügung stehen, wobei nur ein Teil der Forscher direkt auf der Plattform anwesend sein wird.

Die Myrtle wird mithilfe dreier absenkbarer Beine im Meeresboden verankert. Das Meer ist an dieser Stelle nur 17 Meter seicht. Die ersten 500 Meter der Bohrung führen durch Sedimente, die lange nach dem Einschlag abgelagert wurden. Dann soll noch gut einen Kilometer weitergebohrt werden, wobei die Bohrkerne in Drei-Meter-Sequenzen entnommen werden.

In einer Tiefe von 550 Metern erwarten die Forscher Schichten aus dem Paläozän-Eozän-Temperaturmaximum zehn Millionen Jahre nach dem Einschlag. Dann arbeitet sich das Team Schritt für Schritt durch den Schutt des Einschlags im Peak-Ring bis zum Ground Zero der globalen Katastrophe vor.

Die Bohrkerne werden in ein Lager der IODP nach Bremen gebracht, wo im Herbst alle dreißig Wissenschafter zur "Onshore Science Party", einer vierwöchigen Klausur, zusammenkommen. Dabei spalten die Forscher die Kerne: Eine Hälfte bewahren sie für spätere Untersuchungen auf, während der andere Teil für Analysen aufgeteilt wird.

Ablauf der Katastrophe

In Bremen wird auch Ferrière vor Ort sein. Sein Augenmerk gilt dabei den verschiedenen Impaktbrekzien und der Kreide-Paläogen-Grenze. Die Art und Weise, wie die Gesteine aufgeschmolzen oder fragmentiert wurden, gibt Aufschluss über den Ablauf der Ereignisse in den ersten Minuten nach dem Impakt. Insgesamt hat Ferrière fast 200 Proben beantragt. Im ersten Jahr stehen die Bohrkerne ausschließlich den beteiligten Forschern zur Verfügung, später wird das Material auch anderen zugänglich gemacht. (Michael Vosatka, 6.4.2016)