Wien – Auf der Basis der Sequenzierung von rund 300 Genen aus Tumormaterial von Patienten soll in Zukunft eine noch stärker personalisierte Krebstherapie möglich werden. Diesen Service bietet jetzt der Schweizer Pharmakonzern Roche über das US-Unternehmen Foundation Medicine an, hieß es am Donnerstag bei einem Pressegespräch in Wien.

"Wir geben den Startschuss für eine neue Ära, für die personalisierte Medizin 2.0", sagte Roche Austria-Geschäftsführer Wolfram Schmidt. Der Schweizer Pharmakonzern ist mit dem Marktführer für onkologische molekulare Informationen in den USA eine Partnerschaft eingegangen und bietet den Sequenzier- und Datenbankservice ("FoundationOne") für auf die Therapie von Krebs spezialisierte Zentren an.

Das System ist quasi die industrielle Anwendung von Techniken, die in der akademischen Wissenschaft in der Onkologie in den vergangenen Jahren im Rahmen der Erforschung und Anwendung der zielgerichteten Krebsmedikamente zunehmend etabliert worden sind. Eine Tumorprobe des jeweiligen Patienten wird an das Unternehmen geschickt. Dort findet die Sequenzierung von 315 Genen auf mögliche Mutationen statt. Die erhaltenen Daten werden mit derzeit rund 70.000 Tumorfällen verglichen, um den vorliegenden Tumor genauer zu charakterisieren. Gleichzeitig erfolgt in Gen- und Wissenschaftsdatenbanken eine Suche nach Hinweisen auf die optimale medikamentöse Therapie.

Selbstlernendes System

"Das führt zu einem individuellen Befund. So etwas hat in der Vergangenheit Monate gedauert. FoundationOne schafft das in zwei Wochen", sagte Schmidt. Eine solche Untersuchung kostet derzeit 4.300 Euro. Während die Kosten für die Sequenzierung von DNA ständig sinken, vervielfacht sich das über Tumorerkrankungen vorhandene Wissen weltweit ständig. "Wir haben derzeit rund 300 Medikamente zur Behandlung von Krebs zur Verfügung. Etwa 900 Medikamente sind in Entwicklung", sagte der Salzburger Onkologe Richard Greil.

Derzeit kommt das System noch nicht für jeden Krebspatienten in Betracht. Es soll zunächst vor allem bei Kranken mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom im Stadium IV, Patienten mit seltenen Tumorerkrankungen oder Kranken, bei denen die Leitlinien-gerechten Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind, Verwendung finden. Bei mehr als 80 Prozent der untersuchten Gewebeproben ließen sich mit dem System Charakteristika der Krebszellen identifizieren, die für die Anwendung eines spezifischen Arzneimittels sprechen, betonte Greil.

Der Vorteil liege aber auch in der Datenbankanalyse und in dem vom dem US-Unternehmen auf validierter Basis erstellten Therapievorschlags. Bei derzeit 300 vorhandenen Krebsmedikamenten bedeutet eine Kombination von zwei Substanzen schon 45.000 mögliche Behandlungsstrategien, aus denen die optimale ausgesucht werden sollte. Bei Dreifachkombinationen sind es schon 4,5 Millionen Möglichkeiten. Das lässt sich nur noch via EDV-Expertensysteme überblicken. Das Produkt des US-Unternehmens ist selbstlernend und soll in Zukunft laufend ausgebaut werden. (APA, 7.4.2016)