Tot oder nicht tot? Eine Rückkehr des Serienhelden Jon Snow (Kit Harington) wird heftig diskutiert.

Foto: HBO

April, 17., 2011, Sonntag. In Finnland stürzt die regierende Zentrumspartei auf den vierten Platz ab. Lewis Hamilton gewinnt auf McLaren das Formel-1-Rennen in Schanghai. New York City meldet 13 Grad, bewölkt, etwas Regen. Nichts deutet darauf hin, dass sich am Abend Bedeutsames ereignen wird: Im Programm des Abosenders HBO hebt sich zur besten Sendezeit ein Eisentor in einer gigantischen Schneewand. Dunkle Gestalten reiten hinaus in die Finsternis – und kehren nicht wieder. Schnell türmen sich Leichenberge. So wird es immer sein. Premierentag für "Game of Thrones", Geburtsstunde eines Fernsehphänomens, das die Serienwelt bis dato noch nicht erlebt hat.

Blut. Wird nicht nur vergossen, sondern ebenso gerne getrunken oder aus Rohinnereien geschlabbert. Längst haben findige Geister Cocktailrezepte daraus gemacht, zum Beispiel den Dragon's Blood Punch mit Wodka als elementarem Bestandteil. Um das für jede Folge verpflichtende Gemetzel zu garantieren, muss tankerweise Filmblut an die Drehorte herangeschafft werden. 61 zentrale Figuren starben in sechs Staffeln. Armeen von Statisten erlitten den grausigen Serientod.

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Clans. Bilden das Gerüst eines autokratisch-patriarchalen Systems, in dem das hohe Recht des Pestigen gilt. Formal ist es so, dass der Kontinent Westeros von grundsätzlich gewaltbereiten Königshäusern regiert wird. Einig ist sich die große Mehrheit der Bewohner nur in einem: Friede ist total überbewertet.

Dothrakisch. Die definitiv geilste Fantasiesprache seit Klingonisch, was damit zusammenhängt, dass sie der wilde Stammesgott der Dothraker, Khal Drogo, seiner Angetrauten und Nicht-Native-Speakerin Daenerys Targaryen beigebracht hat. Der blonde Drachenengel verschafft sich damit Ansehen und Respekt bei seinen Untertanen, die ansonsten eher der Uga-Uga-Kultur frönen. Dothrakisch ist übrigens keine Erfindung. Der Linguist David J. Peterson entwickelte die Kunstsprache mit 3250 Wörtern und Zahlen und Grammatik. Via App kann man sie erlernen.

Ehre. Ist der höchste Wert im Staate – und dennoch nichts als ein Wort. Jene, die sich darauf berufen und trotzdem selbst bei geringstem Anlass nicht die eigene Großmutter Wölfen oder Wildlingen zum Fraß vorwerfen würden, kann man an den Fingern einer Hand abzählen.

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Fan. Der überzeugte "Game of Thrones"-Jünger ist seinem Herrn und Meister treu ergeben wie die edle Ritterin Brienne Tarte, ungeduldig wie Arya Stark, wenn es um das Warten auf Seriennachschub geht, geistreich und eloquent wie Tyrion Lennister beim engmaschigen Austausch inhaltlicher Details und trickreich wie Lord Petyr "Kleinfinger" Baelish in Beschaffungsfragen (siehe: Illegalität). Locker und lustig, bis auf ein kleines Detail: Wer spoilert, wird in Verdammnis geschickt. Ewig.

HBO. Amerikanischer Pay-TV-Sender mit Sitz in New York. 1972 gegründet, im Besitz von Time Warner und so etwas wie der Olymp des Serienhimmels. Hier begann, was bis heute "Goldenes Zeitalter des Fernsehens" genannt wird. Der Fortsetzungscharakter von Serien wie "Oz", "The Wire", "The Sopranos", "Boardwalk Empire", "True Blood" und eben "Game of Thrones" veränderte Fernsehgewohnheiten nachhaltig. Aus den daraus gewonnenen Einsichten in die Suchtbereitschaft von TV-Junkies entstanden letztlich Netflix, Amazon & Co.

Illegalität. Fester Bestandteil des "Game of Thrones"-Paralleluniversums. Torrent-Streams von Originalfolgen wurden laut Statistiken diverser Torrent-Tracker etwa fünf Millionen Mal pro Folge angeklickt. Mittlerweile startet die Serie weltweit in nur kurzem Abstand zur US-Premiere. Eingefleischte Downloadkrieger lassen sich vermutlich selbst dadurch kaum aufhalten.

Jetting. Von Set zu Set. Darunter versteht man das entschlossene Aufsuchen von Originalschauplätzen, an denen ganze Tourismusmärkte genesen. In Gruppen, auf eigene Faust, zu Wasser, zu Land, per pedes, am Bike lassen sich Drehorte etwa in Nordirland, Schottland, Malta und Marokko erkunden. Die realen Verhältnisse sind oft ernüchternd: Manch mächtiges Schloss entpuppt sich als mickrige Spukburg.

Kontrolle. Braucht Macht: Drehs sind inzwischen wie Hochsicherheitszonen überwacht. Neugierige drangen ein, um sich über den Fortgang der Serie Kenntnis zu verschaffen. Das Verhalten der Adoranten mutet seltsam an, vor allem, weil es bis zu Staffel fünf Bücher gab, in denen solches nachzulesen gewesen wäre.

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Leak. Vier Folgen der fünften Staffel gingen vor einem Jahr zu früh ins Netz. Das war ein Hallo! Nie wieder dürfe sich solches ereignen, betonte HBO und sperrte jetzt Journalistenpreviews. Und die Gratiswerbung war nichts?

Martin, George R. R. Mister Runkelrübe Rübezahl (korrekt: Raymond Richard), Gottvater und Schöpfer der Buchreihe "A Song of Ice and Fire". Steht im Moment nicht ganz so hoch im Kurs seiner Fans. Der Selfmademillionär will partout nicht in den Eilmodus wechseln. So harrt die Community ungeduldig des sechsten Buches – und das ist fast so schlimm wie Spoilern.

Nadel. Unwiderlegbarer Beweis, dass Waffengröße eine Rolle spielt. Der Säbel der kecken Arya ist schlank und fein, Papa Stark, groß und gütig, hatte den größten. Nur gerecht.

Sex. Das wilde Gerammel in jeder Folge hat bisweilen etwas Zwanghaftes. Dass man manches Mal über die Stränge schlägt und auch Missbrauch sowie Vergewaltigung ins gleißende Licht setzt, gehört zu den eher unschönen Seiten. Empowerment ist schon o. k., aber so tief müsste es davor nicht sein.

Tot. Ist Jon Snow. Oder nicht? Ob der Hipsterheld von der Mauer tatsächlich einen Abgang machte oder in den neuen Folgen auftaucht, beschäftigt in Foren seit Monaten.

Entertainment Weekly

Untergang. Gibt es immer wieder. Etwa, wenn wieder einmal ein zentraler Charakter einen möglichst grausigen Serientod erleiden muss. Dieses inszenatorische Fixelement ist Gemeinheit und Raffinesse zugleich, verstößt es doch gegen ehernes Dramengesetz. Unter anderem deshalb ist "Game of Thrones" so einzigartig: Niemand ist sicher.

Winter, der. Kommt. Immer. (Doris Priesching, 10.4.2016)