Zwentendorf – Das nie in Betrieb gegangene Kernkraftwerk Zwentendorf hat mehr als 1.000 Einzelräume. In einem davon, einem Kellerabteil, wurden vor einiger Zeit alte Filmrollen gefunden, die nach und nach digitalisiert werden. Den ersten Film hat die EVN nun auf ihren Youtube-Channel gestellt. Es handelt sich um einen Werbefilm für Atomkraft aus den 1970er Jahren, der aus heutiger Sicht skurril erscheint, aber "so sahen manche vor 40 Jahren die Zukunft der Kernenergie in Österreich", sagt EVN-Sprecher Stefan Zach auf Anfrage des STANDARD.

In zahlreichen Sequenzen wird dem Publikum mitgeteilt, dass Atomkraft völlig ungefährlich, ja lebensrettend sei. Explosionen seien unmöglich, erklärt ein nicht näher genannter Experte. "Was ist, wenn im Kinderspital der Strom ausgeht?", lautet die subtile Angstmache. Auch erotische Anspielungen kommen nicht zu kurz: Eine junge Frau streicht mit ihren Fingern über eine (natürlich behaarte) Männerbrust und haucht in die Kamera: "Kernkraft, Kernenergie, kerngesund."

Werbefilm nach dem Motto "Atomkraft, ja bitte" aus den 1970er Jahren.
EVN

An anderer Stelle wird die Fahrt von Franz Klammer zum Olympiasieg 1976 in Innsbruck eingeblendet, wieder mit der Drohung, dass ohne Atomkraft irgendwann der Strom zum Fernsehen ausgehen werde. Der Film dürfte im gleichen Jahr entstanden sein. Zu diesem Zeitpunkt waren neben Zwentendorf noch zwei weitere AKWs in St. Pantaleon-Erla/St. Valentin an der Grenze zwischen Niederösterreich und Oberösterreich sowie in St. Andrä in Kärnten geplant.

Bekannter Regisseur

Der teilweise überaus rasant geschnittene Werbefilm, den die damalige Kernkraftwerksplanungsgesellschaft in Auftrag gegeben hatte, dürfte von Regisseur Max Vrecer stammen. Er gehörte in den 1970er Jahren zu den Pionieren des kreativen Werbefilms in Österreich, später arbeitete er in Los Angeles unter anderem mit Terry Southern ("Dr. Strangelove") zusammen. 2010 ist Vrecer im Alter von 59 Jahren in Wien gestorben.

Das AKW Zwentendorf wurde zwar gebaut, ging aber bekanntlich nie in Betrieb. 1978 sprach sich bei einer Volksabstimmung eine knappe Mehrheit dagegen aus. Heute dient der Komplex vor allem als Trainingszentrum für AKW-Rückbauten. Außerdem wird er immer wieder als Location für Filme, Modeschauen und Musikvideos verwendet. An Freitagen gibt es (gegen Anmeldung) kostenlose Führungen. (Michael Simoner, 18.4.2016)