Mit dem Etappensieg von Norbert Hofer zeigt ein hoher Anteil der österreichischen Bevölkerung eine Präferenz für die seit einigen Jahren in Ungarn und in Polen entwickelte autoritäre Politik: Schwächung der Parlamente, Aushebelung der Gewaltenteilung, Opposition zu den Brüsseler Vorgaben und Einschränkungen der Medienfreiheit. Wien läge wie in der Geografie bald auch politisch östlich von Prag.

In einem STANDARD-Interview während des Wahlkampfes hat Hofer seine Absichten angedeutet: Wegen der Flüchtlingspolitik von Sebastian Kurz (ÖVP) und Hans Peter Doskozil (SPÖ) würde er als Präsident entgegen früheren Aussagen die Bundesregierung nicht entlassen. Das bedeutet, dass Hofer 2018 nach einem Wahlsieg von Heinz-Christian Strache den FPÖ-Chef ohne Mühe mit der Regierungsbildung beauftragen könnte – mit Kurz oder Doskozil als Vizekanzler.

Es ist nicht anzunehmen, dass sich SPÖ und ÖVP zu einer Alternative aufraffen können. Dazu werden sie zu schwach sein. Folglich würden Hofer und Strache den Billigstbieter als Steigbügelhalter engagieren. Bei den Sozialdemokraten würde Hans Niessl zusammen mit Doskozil das Sagen haben, in der ÖVP Sebastian Kurz. Reinhold Mitterlehner (wahrscheinlich) und Erwin Pröll (ganz sicher) sind dann ohnehin Geschichte. Reinhold Lopatka wird die Drecksarbeit machen und sich der seinerzeitigen Schüssel-Rhetorik bedienen. Aber "die Leute" werden zum Schmied, nicht zum Schmiedl gehen.

Bis 2018 würde ein Präsident Hofer der Regierung das Leben schwermachen. Mit dem in der ORF-Elefantenrunde formulierten Satz "Sie werden sich wundern, was alles möglich ist" hat er Faymann bereits gedroht. Die auf Basis der Kompetenzen leichteste Übung, aber auch die erste Kraftprobe wäre die Frage der Vertretung nach außen.

Seit Franz Vranitzky wegen der internationalen Ächtung Kurt Waldheims die Republik nach außen vertreten hat, wuchs diese Rolle auch den Nachfolgern zu. Hofer würde das zu brechen versuchen. Zwischen Ballhaus und Hofburg würden wie zu Zeiten Klestils (der Schüssels Haider-Malus zu nützen suchte) die Fetzen fliegen.

Hofers zweiter Punkt, dem er seinen vorläufigen Sieg verdankt, ist der Antiislamismus. Wir haben in den letzten Wochen erlebt, wie sich Strache in Israel verneigt und Christoph Leitl im Iran. Eine verkehrte Welt, perfekt für eine stimmungsmäßige Machtübernahme des Rechtspopulismus. Sogar Liberale stolpern in die Falle, weil sie Obamas Iranpolitik für ein Übel und Straches Anbiederung an die Juden für einen Lernprozess halten. Werch ein Illtum (Ernst Jandl).

Wer in jedem Flüchtling einen islamistischen Terroristen sieht, macht die Angst zum Ratgeber und die Vernunft zum Irrlicht. Leider war diese Stimmung ausschlaggebend für die Wahlentscheidung. Sie wird in vier Wochen kaum zu drehen sein. Das liegt nicht nur an den mehrheitlich rechtsgedrehten Medien, sondern auch an der Antwort auf die Frage: Wollen wir die Wiederkehr des (autoritären) Nationalismus? (Gerfried Sperl, 24.4.2016)