Fluoreszenz-Aufnahme eines Dickdarm-Schnitts: Die Zellkerne des Darmgewebes sind blau, die Darmbakterien (Mikrobiota) grün dargestellt. Innerhalb der grünen Mikrobiota finden sich einzelne rot bis gelblich dargestellte Punkte. Dabei handelt es sich um Tumor-assoziierte Alistipes-Keime.

Foto: MedUni Innsbruck

Innsbruck – Einem Forscherteam rund um den Gastroenterologen Herbert Tilg von der Medizinischen Universität Innsbruck ist es gelungen, ein Darmbakterium als Auslöser für Krebs zu identifizieren. Der Keim Alistipes könne Dickdarmkrebs verursachen, heißt es von der Med-Uni. Außerdem hätten Versuche gezeigt, dass das Protein LCN2 vor der Entstehung von Darmtumoren schützen könne.

Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Romana Gerner und Alexander Moschen konnte Tilg zeigen, dass Mäuse, denen krankheitsspezifisch das antientzündliche Zytokin IL-10 und das Protein LCN2 fehlen, zunächst eine schwerwiegendere Entzündung und schließlich Tumoren entwickeln. Mit der Gabe von Antibiotika konnte die Tumorbildung verhindert werden – es kam nur mehr zu einer milden Entzündung.

Nachweis bei Dickdarmkrebspatienten

"Die Sequenzierung der Mikrobiota (Zusammensetzung der Darmmikroorganismen, Anm.) und die Schaffung einer Bakterienkultur führte uns zu einem Keim namens Alistipes, der sich in unseren Versuchen als Auslöser von Dickdarmkrebs enttarnen ließ", sagt Gerner. Nachdem in klinischen Untersuchungen bei Dickdarmkrebspatienten bereits eine überdurchschnittliche Anhäufung von Alistipes-Bakterien nachgewiesen werden konnte, belegen diese Ergebnisse nun auch den molekularbiologischen Zusammenhang, berichten die Forscher.

Protein LCN2 schützt

Die Zusammensetzung der Darmmikroorganismen wird als Mikrobiota bezeichnet und ist von Mensch zu Mensch verschieden. Die komplexe Mikrobenwelt setzt sich aus bis zu 100 Billionen Bakterien, Phagen und Viren zusammen und wiegt etwa 1,5 Kilogramm. Besonders die Ernährung dürfte einen Einfluss auf die Zusammensetzung der Mikrobiota haben. Laut Tilg hat sich gezeigt, dass sich die Mikrobiota bei an Krebs erkrankten Menschen stark von der bei Gesunden unterscheidet. Bei Patienten mit Darmkrebs seien etwa bestimmte Schlüsselkeime wie Bifidobaktieren zu gering, andere aggressive Keime in Überzahl vorhanden.

Dabei konnten die Forscher dem antimikrobiellen Protein LCN2 eine zentrale Rolle nachweisen. Das von weißen Blutkörperchen gebildete Protein sei in der Lage, mit den Keimen des Darms zu kommunizieren. "Indem es eisenbindende Moleküle, sogenannte Siderophore, bindet, entzieht LCN2 den Bakterien das für ihr Wachstum nötige Eisen und dämmt so die krebsfördernde Entzündung ein", so Moschen.

LCN2 habe demnach eine schützende Funktion in der Entstehung von intestinalen Entzündungen und Darmtumoren, die mit einer veränderten Mikrobiota in Zusammenhang stehen. Diese Erkenntnis werde für die Entwicklung innovativer Therapien bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und damit assoziierten Dickdarmkrebs von besonderer Bedeutung sein. (APA, red, 27.4.2016)