Originalaufnahmen vom Mars mit den Rinnen, die sich bei wärmeren Temperaturen verändern, was auf Wasser schließen lässt.

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Versuche in der Marskammer zeigen, dass kochendes Wasser zu Minisandlawinen führt, die für ähnliche Strukturen sorgen.

Foto: Marion Massé
NPG Press
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Nantes/Wien – Die Entdeckung hat Ende September des Vorjahrs rund um den Blauen Planeten für einiges Aufsehen gesorgt. Ein internationales Forscherteam berichtete im Fachblatt "Nature Geoscience", dass es die buchstäbliche Lösung für die Fließstrukturen auf dem Roten Planeten gefunden hätte: Diese seien durch Salzwasser entstanden, das im Mars-Sommer flüssig würde und Rinnen entstehen lässt.

Damit schien ein weiterer Beweis geliefert, dass Wasser nach wie vor an der Marsoberfläche existiert. Und das wiederum bedeutete, dass sich die Suche nach Leben auf unserem Nachbarplaneten auszahlen könnte.

Der Fachartikel wurde zweimal online korrigiert, und keine drei Monate später sah die Sache etwas anders aus. Ebenfalls in "Nature Geoscience" präsentierten französische Wissenschafter nämlich eine Alternativhypothese: Die Rinnen könnten von Trockeneis aus gefrorenem Kohlendioxid gebildet worden sein. Das würde sich in Platten auf dem Boden anlagern, bei höheren Temperaturen direkt gasförmig werden und auf diese Weise den sandigen Untergrund in Bewegung versetzen.

Test in der Marskammer

Alle guten Dinge sind drei, dachten sich wohl die Herausgeber von "Nature Geoscience". Denn in der aktuellen Ausgabe präsentiert ein internationales Forscherteam um Marion Massé (Uni Nantes und CNRS), die übrigens schon beim ersten Aufsatz Ende September 2015 Koautorin war, eine dritte Theorie, die prima vista etwas unplausibler klingt.

Doch es ist die erste Hypothese, die immerhin auch experimentell getestet wurde, wenn auch nur auf der Erde in sogenannten Marskammern. Darin wird die Atmosphäre des Roten Planeten simuliert, also ähnlich tiefe Temperaturen und ähnlich geringer Druck. Die Forscher legten einen kleinen Eisblock auf einen kleinen Sandabhang in der Kammer und beobachteten, was unter verschiedenen Bedingungen passierte.

Dabei zeigte sich, dass flüssiges Salzwasser kaum Rinnen hinterlässt. Viel wahrscheinlicher dürfte sein, dass unter dem geringen Druck auf der Marsoberfläche das Wasser fast direkt vom festen in einen gasförmigen Zustand übergeht. Dabei "kocht" es bei ungewöhnlich tiefen Temperaturen, und durch das Sprudeln werden die Sandkörner nach oben geschleudert, bilden kleine Hügel, die wie Minilawinen nach unten abgehen, was letztlich für die Rinnen in den Abhängen sorgt.

Es scheint also nicht die Stabilität von flüssigem Wasser zu sein, die für die Strukturen sorgt, sondern seine Instabilität, heißt es im Begleitkommentar. Irgendwie scheint das mit der Instabilität auch auf die Marsrinnentheorien zuzutreffen. (Klaus Taschwer, 4.5.2016)