"Ich bin einfach neugierig. Das Projekt kam mir wie gerufen." Leena Vahtera, hier in ihrem Wohnzimmer zu sehen, ist eine von insgesamt 85 Bewohnerinnen im Seniorenwohnhaus Kotisatama.

Foto: Kimmo Brandt

Auf dem Touchscreen kann sie mit ihren Nachbarn kommunizieren.

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Und mit der Chipkarte auf der Straße öffnet sie das grüne Türchen.

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Und tippt. Und schiebt. Und zoomt. "Man würde ja annehmen, dass solche Programme irgendwann einmal lückenlos funktionieren", ärgert sich Terttu Fält. "Aber nein! Immer dann, wenn man etwas vorführen will, gibt es wieder einen Hänger." Loggt sich aus. Und noch einmal ein. "Jetzt gebe ich meinen Benutzernamen und den PIN-Code ein. Jetzt müssen Sie bitte kurz wegschauen. Na endlich! Jetzt geht's."

Terttu Fält ist eine von insgesamt 85 Bewohnerinnen des Seniorenhauses Kotisatama im neuen Stadtteil Kalasatama, nur vier U-Bahn-Stationen vom Hauptbahnhof Helsinki entfernt. Mit ihren Nachbarn ist sie in regem Kontakt. Entweder man trifft einander sowieso um 17 Uhr zum Abendessen im Speisesaal. Oder aber man kommuniziert über ein eigens entwickeltes Interface, das nicht nur über E-Mail-Programme und gemeinsame Serverordner verfügt, sondern auch Arbeitszeitpläne, Veranstaltungskalender und sogar ein Buchungsprogramm für die Gästezimmer beinhaltet. Falls einmal die Schwiegersöhne und Enkelinnen auf Besuch kommen.

Nicht einsam sterben

"Ich habe oft erlebt, wie Menschen alt werden und einsam und allein sterben. Das ist nicht meine Vorstellung für die nächsten Jahre. Ich will meine Zeit als Rentnerin aktiv gestalten." Früher war Fält Immobilienmaklerin, hat zuletzt sogar eine eigene Maklerkanzlei geleitet. Mit dieser Erfahrung hat sie mit mehreren Gleichgesinnten vor einigen Jahren den Verein "Aktiiviset seniorit" ins Leben gerufen.

"Wir haben online nach Interessenten gesucht und uns gemeinsam zwei Seniorenwohnheime in Berlin und auch ein vergleichbares Projekt hier in Helsinki angesehen. Das waren sehr schöne Erfahrungen. Und so haben wir dann beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und ein ähnliches Haus zu bauen. Ja, es ist einiges an Arbeit. Aber es geht."

Gemeinsam mit ihren damals mittlerweile 85 Kollegen und Kolleginnen hat Fält eine Eigentümergemeinschaft gebildet, ein Grundstück im neuen Smart-City-Quartier Kalasatama gepachtet und das finnische Architekturbüro Kirsti Sivén & Asko Takala mit an Bord gezogen. "Kirsti Sivén hat in Helsinki schon einige Seniorenwohnheime gebaut", erzählt Fält mit einem breiten Lächeln. "Aber das hier ist eindeutig ihr bislang bestes Projekt."

Barrierefreies Niedrigenergiehaus

Auf den ersten Blick ist dem neunstöckigen Haus nichts Ungewöhnliches anzusehen. Ganz normale Backsteinfassade, ganz normale Balkone, ganz normale Fenster. Dass sich dahinter ein barrierefreies Niedrigenergiehaus mit Fernwärme-Anschluss und allerlei smarten Features verbirgt, merkt man erst im Foyer. Neben dem Lift hängt der riesige Touchscreen, der eben noch gestreikt hatte. Zu Showzwecken wurde nun für eine Nacht eines der beiden Gästezimmer gebucht. Diesmal mit Erfolg.

Im Speisesaal nebenan sitzen einige ältere Damen und Herren mit ihren iPads und tippen irgendwas ins Glas. Demnächst, hört man, werde es einen Vortrag im Haus geben, bei dem eine Versuchsreihe, ein Kooperationsprojekt der Aalto-Universität und der Universität Tampere, vorgestellt wird. Es geht um Robotik. Man ist auf der Suche nach Senioren, die einen roboterunterstützten Wohnalltag erproben sollen.

Wöchentlicher Wasserverbrauch

"Natürlich höre ich mir das an. Und vielleicht werde ich mich auch bewerben, um da mitzumachen", sagt Leena Vahtera. Den smarten Technologien ist die 69-Jährige ja nicht gerade abgeneigt. Neben dem Lichtschalter zu ihrem Bad, wird man später sehen, hängt ein kleines Display, das den wöchentlichen Wasserverbrauch anzeigt. 179 Liter sind' s bis zu diesem Mittwoch. "Ich bin einfach neugierig, welche Ressourcen ich verbrauche."

Vahtera wohnt in einer 47 Quadratmeter großen Wohnung im dritten Stock. Der durchschnittliche Kaufpreis der Wohnungen im Haus liegt bei 4370 Euro pro Quadratmeter. Die Einrichtung ist eine Mischung aus Fifties und Antiquitäten, das Bett ist lediglich über ein kurzes Wandstück vom Wohnbereich getrennt, einzig der blaue Schaukelstuhl in der Raummitte verrät ein bisschen was über den schwungvollen Lebensabschnitt der hier Wohnenden.

"Mein Mann ist vor einigen Jahren verstorben. Irgendwann einmal war für mich klar, dass ich nicht alleine weiterleben will. Dieses Projekt kam mir wie gerufen." Es sind vor allem die Gemeinschaftsflächen, die sie schätzt: den hohen Speisesaal im Erdgeschoß, die offene Bibliothek mit Blick in die Küche, die Werkstatt, die Dachterrasse und natürlich die beiden Saunas im letzten Stock. "Das Dachgeschoß ist super, weil die meisten hier ihre Blumen und Kräuter anpflanzen. Aber das ist nicht so meines. Ich hab's mehr mit Radfahren und Skifahren."

Rohrpost, aber smart

Eines der Highlights im Haus ist die Müllentsorgungsanlage unten auf der Straße. In der Leonkatu an der Südseite des Hauses steht eine der Bewohnerinnen und hält ihren Chip an den Sensor. Es öffnet sich eine Art Waschmaschinenbullauge ohne Glas, in die der Müllsack hineinfällt. Beim Schließen der Tür wird im Inneren der Anlage ein Unterdruck erzeugt, der den Müll wie in einem Rohrpostsystem ins Müllzentrum des neuen Stadtteils Kalasatama saugt.

"Für Papier, Kartonprodukte, Bioabfälle und Restmüll gibt es unterschiedliche Türen und somit auch unterschiedliche Kanalsysteme", erklärt Kaisa Spilling, Development Managerin beim Projektdienstleister Forum Virium Helsinki, der das Pipeline-System in der Smart City Kalasatama mitentwickelt hat. "Die Elektronik-Chips an den Mülltüren helfen uns auch dabei abzuschätzen, wo zu welchem Zeitpunkt welche Art von Müll anfällt." Auf diese Weise wolle man die Pipeline-Systeme in Zukunft noch besser konzipieren und dimensionieren.

Werkzeug, um in Kontakt zu treten

"Also, von solchen großartigen Features können meine Kinder nur träumen" , sagt ein Bewohner im Haus. "Die Technologien sind nicht nur eine wichtige ökologische Maßnahme wie etwa bei der Müllentsorgung, sondern auch ein gutes Werkzeug, um mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und sich im Lebensalltag zu organisieren." Genau das ist die ursprüngliche Idee des Smart-Home-Konzepts, das mit der Digitalisierung und Computerisierung der Haustechnik vor etwa zehn Jahren den Markt flutete.

"Ich weiß nicht, ob unser Kotisatama ein smartes Haus ist", sagt Terttu Fält. In ihrer Brille spiegelt sich der Touchscreen im Foyer. Die Gästezimmer-Buchung hat sie mit einem Klick soeben wieder storniert. "Jedenfalls war ich sehr smart, weil ich hier eingezogen bin."

"Ich bin einfach neugierig. Das Projekt kam mir wie gerufen." Leena Vahtera, hier in ihrem Wohnzimmer zu sehen, ist eine von insgesamt 85 Bewohnerinnen im Seniorenwohnhaus Kotisatama. Auf dem Touchscreen kann sie mit ihren Nachbarn kommunizieren. Und mit der Chipkarte auf der Straße öffnet sie das grüne Türchen. Per Unterdruck wird das Altpaper sofort in die Müllentsorgungsanlage gesaugt. (Wojciech Czaja, 8.5.2016)