Bild nicht mehr verfügbar.

Drinks, Drinks, Drinks: Alkohol gehört zum Feiern dazu. Und schleicht sich auf diese Weise ein.

Foto: Reuters

Sarah Hepola
Blackout

Eichborn 2016
285 Seiten, 16,50 Euro

Es ist ja nicht so, dass man sich das mit der Sucht nicht vorstellen könnte. Schließlich ist jeder in unserer Gesellschaft ständig mit Alkohol konfrontiert: das Biertschi zu Mittag, das Achterl am Abend zur Entspannung, bei Feiern, Geburtstagen oder Begräbnissen. Die Lust auf Betäubung ist fixer Bestandteil unserer Kultur – und jeder, der nicht mitmacht, ist irgendwie auch ein Spielverderber.

Die amerikanische Journalistin Sarah Hepola ist in ihre Abhängigkeit so wie die Mehrheit der Alkoholkranken auch langsam hineingerutscht. Irgendwann in der Pubertät hat sie erkannt, dass sie sich ihre Schüchternheit wegtrinken kann, dass sie mutiger und lustiger wird, wenn sie ein paar Drinks intus hatte und genau das brachte ihr den Kick.

Was banal klingt, bescherte ihr viele Abenteuer. "Die Nächte an die ich mich nicht erinnern kann, sind die Nächte, die ich nie vergessen werde", so der Untertitel ihres bei Eichborn erschienen Buches "Blackout".

Im Sog der Promille

Es ist eine Art Bekenntnisroman in einer Offenheit, die man erst einmal aushalten muss. Irgendwie erinnert Hepolas Stil an amerikanische Fernsehserien, vielleicht schafft sie es gerade auch deshalb, einen in den Bann zu ziehen.

Sie erzählt, wie sich der Alkohol in ihr Leben geschlichen hat, wie cool es war, "besoffen" zu sein. Zwar findet sie ihre Blackouts von Anbeginn ihrer Trinkerinnen-Karriere als beängstigend (und vergleicht es mit Zuständen, die sich wie Alzheimer anfühlen), doch lernt sie, diese Ereignisse vor sich selbst schnell wieder zu verharmlosen.

Was als Wochenendvergnügen in ihrer Heimat Texas beginnt, entwickelt sich über die Jahre zu einem Bedürfnis, das zu jedem Zeitpunkt verharmlost wird. Hepola funktioniert weiter, lebt relativ erfolgreich als Journalistin in New York, und genau weil sie das schafft, legitimiert sie sich selbst dazu immer weiter und weiter zu trinken. Durch ihre Trinkeskapaden verliert sie Freunde, merkt es aber nicht.

Exzess als Schlüsselmoment

Auch Sex geht ohne Alkohol für Hepola nicht, irgendwann sind aber auch die Männer weg, Hepola macht weiter bis zum Big-Bang, einer Nacht in Paris, in der sie neben einem Mann aufwacht, den sie noch nie gesehen hat. Sie weiß weder, wo sie ist, wer der Mann ist, ihre Tasche ist weg, sie weiß nicht, wohin. Dieser Moment wird ein Schlüsselerlebnis, so will sie nicht weiterleben. Sie erkennt: Wenn sie nicht zugrunde gehen will, muss sie den Alkohol aus ihrem Leben verbannen.

Der zweite Teil des Buches ist dem Aufhören gewidmet und all jenen Menschen, die ihr dabei geholfen haben. Wer will, kann diese Kapitel als eine Art Läuterung lesen. Für alle, die Empathie für Alkoholkranke aufbringen wollen, ist dieses Buch ein lehrreicher Ausflug in vielerlei Hinsicht: um Suchtverhalten zu begreifen, um Rückfälle zu verstehen, um die Ursachen des Trinkenwollens zu verstehen und schließlich, um Menschen bei ihrem mühsamen Weg aus einer Sucht begleiten zu können.

Vielleicht ist das Ende dann doch ein wenig zu geläutert ausgefallen. Sarah Hepola gibt auch ganz unumwunden zu, dass dieser autobiografische Roman Teil ihrer Therapie ist. Dass der Alkohol ihr geholfen hat, Schüchternheit zu überwinden, ihr Sicherheit zu geben, ist nur die eine Seite der Medaille. Als Frau wie ein Mann saufen zu können, hat für Hepola auch einen Gender-Aspekt, der ihre Sucht in anderem gesellschaftlichen Kontext erscheinen lässt. Immer dann, wenn sie es schafft, ihr eigenes Schicksal erzählerisch zu überwinden und das große Ganze hinter dem Suchtproblem in den Mittelpunkt zu rücken, gelingen ihr beeindruckende Passagen.

Geduld haben

Eines ist sicher: Nach der Lektüre von "Black-out" wird man Alkoholkranke und ihren permanenten Selbstbetrug besser verstehen. Man wird wissen, dass kein Alkoholiker sich seiner eigene Sucht bewusst ist und dass man als Familie und Freunde Geduld braucht, bis Alkoholkranke ganz unten angekommen sind. In Österreich leben zirka 800.000 Alkoholkranke, die Anzahl der Frauen steigt. Sarah Hepola beschreibt, wie sie sich fühlen. (Karin Pollack, 6.6.2016)