In Zeiten der Digitalisierung werden die Ansprüche an Mitarbeiter steigen, sagt Bosch-Österreich-Chef Peter Fouquet.

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Fouquet über automatisiertes Fahren: "Um dem Fahrzeug klarzumachen: Wenn ein Blatt auf die Staße fällt, fahr weiter, braucht es Experte."

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STANDARD: Firmen – darunter Bosch, Kapsch, Bank Austria, Henkel – schlossen sich zur "Wissensfabrik" zusammen, die Kinder auf künftige Anforderungen vorbereiten soll. Bedeutet das, dass das Schulsystem das nicht leisten kann?

Fouquet: Die Ausbildung der Volksschullehrer ist tatsächlich nicht speziell darauf ausgerichtet, Technik zu vermitteln. Sie enthält beispielsweise keinen Chemieunterricht. Daher fehlt ihnen zum Teil die Kompetenz, das ihren Schülern zu vermitteln. Wir unterstützen sie dabei.

STANDARD: Was machen Sie in Ihren Projekten?

Fouquet: Einerseits bilden wir die Lehrer aus. Andererseits stellen wir den Schulen Tools zur Verfügung, zum Beispiel Baukästen. Einen, mit dem sie Technik üben, zum Beispiel ein Auto bauen können. Einen anderen Baukasten gibt es für Naturwissenschaften. Künftig wollen wir auch das Thema Digitalisierung noch stärker fokussieren. Vor allem geht es darum, auch Mädchen dafür zu begeistern. Im Idealfall studieren sie später Technik. Wir brauchen sie, um künftig genügend Fachkräfte zu haben.

STANDARD: Im Alter von zwölf Jahren entscheiden sich Mädchen meist für typische Frauenberufe, zeigen Studien. Wie kann es gelingen, sie davor umzupolen?

Fouquet: Wir bilden uns nicht ein, dass wir die Orientierung von Kindern ändern können. Aber mit den Baukästen zu arbeiten macht Spaß. Im Idealfall erzeugt es eine Initialzündung. In der Wissensfabrik sind die Programme für alle gleich, Mädchen werden nicht extra gefördert.

STANDARD: Nun zu jenen, die schon im Job sind: Wie wirkt sich die Technologisierung auf sie aus?

Fouquet: Die Ansprüche an Mitarbeiter werden höher. Das gilt für Absolventen einer Hochschule wie für jene einer Berufsausbildung. Beide müssen nicht nur wissen, wie Maschinen funktionieren, sondern benötigen auch die Software- und IT-Kompetenz, um Maschinen programmieren oder Datenströme von Sensoren nutzbringend auswerten zu können.

STANDARD: Stichwort Training: Eine aktuelle Umfrage zeigt etwa für das Thema Industrie 4.0, dass jeder zweite Mitarbeiter in der Produktion nicht weiß, was der Begriff überhaupt bedeutet.

Fouquet: Es kann vielleicht nicht jeder den Begriff genau erklären, aber es kann mit Sicherheit jeder sagen, was ihn an seinem Arbeitsplatz tagtäglich davon betrifft.

STANDARD: Es ist also ein Definitionsproblem?

Fouquet: Ja. Und Industrie 4.0 ist kein Schreckgespenst, sondern die große Zukunft. Außerdem wird die Produktionstechnik auch viele Arbeitsplätze schaffen, davon bin ich überzeugt.

STANDARD: Können Sie das näher ausführen? Andere Prognosen sagen das Gegenteil.

Fouquet: Niedrigqualifizierte Jobs werden vielleicht weniger, aber es werden auch höher qualifizierte Jobs geschaffen. Besonders für die westeuropäischen Länder, wie Österreich und Deutschland, ist es wichtig, dass sie als Anbieter von solchen Technologien die Nase vorn haben.

STANDARD: Wie steht Österreich hier momentan da?

Fouquet: Gut. Unsere Maschinentechnologie ist führend auf dem Weltmarkt. Wobei wir natürlich noch am Anfang stehen. Eine komplette Industrie-4.0-Fabrik ist noch nicht realisiert. Sehr wohl aber bestimmte Komponenten. Es gibt zum Beispiel eine Produktionslinie, bei der die einzelnen Maschinen in der Lage sind, Verschleiß von Werkzeugen zu messen und zu melden.

STANDARD: Welche Qualifikationen sind künftig gefragt?

Fouquet: Was zumindest bei Bosch immer wichtiger wird, ist der Softwareingenieur. Wir entwickeln so einiges im Bereich Driver-Assistance und automatisiertes Fahren – und da geht es hauptsächlich um Software. Da wird natürlich auch Sensorik eingebaut, da werden Kameras eingebaut. Aber die Hauptleistung besteht darin, alles zu koppeln. Um dem Fahrzeug klarzumachen: Wenn da ein Kind auf die Straße läuft, bremse, wenn ein Blatt auf die Straße fällt, fahr weiter.

Das sind sehr anspruchsvolle Aufgaben, für sie braucht es Experten. Sie müssen aber nicht zwangsläufig Informatik studiert haben. Letztens habe ich zum Beispiel einen Mitarbeiter im Fahrstuhl getroffen, der ursprünglich Kunstgeschichte studiert, für Museen gearbeitet hat und dann in die Autoindustrie gewechselt ist. (Lisa Breit, 28.6.2016)