Allergologen können inzwischen bestimmen, gegen welche Allergene jemand möglicherweise allergisch ist. Das gibt Hinweise darauf, ob eine Immuntherapie Erfolg haben könnte.

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Wien – "Personalisierte Medizin": Dieser Begriff hält nun auch Einzug in die Allergologie. Gemeint ist die Strategie, in die Stoffwechselwege eines Patienten einzugreifen. "Bei allergischen Krankheiten haben wir jetzt endlich auch mehr solcher Tests und Medikamente", sagte Stefan Wöhrl, Allergologe am Floridsdorfer Allergiezentrum, am Rande des internationalen Allergiekongresses, der kürzlich in Wien stattfand.

Allergologen können inzwischen bestimmen, gegen welche Eiweiße (Allergene) jemand möglicherweise allergisch ist. "Damit bekommen wir Hinweise, ob eine Immuntherapie Erfolg haben könnte", erklärte Heimo Breiteneder, Allergieforscher an der Med-Uni Wien. Auch die Intensität einer Allergie lässt sich bestimmen: So vertragen Patienten mit einer Allergie gegen die Haselnuss-Allergene Cor a 1 oder 2 kleine Mengen Haselnüsse, während jene mit einer Allergie gegen Cor a 9 oder 14 schon mit geringen Spuren einen lebensbedrohlichen Schock bekommen und Haselnüsse strikt vermeiden müssen. Reagiert ein Birkenpollenallergiker auf Bet v 1, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er mit der Immuntherapie diese Allergie los wird.

Schwerer Schock trotz Immuntherapie

Allergologen träumen seit langem davon, die Immuntherapie, die sie Impfung nennen, exakter zu personalisieren. Bisher bestehen die Impflösungen aus Extrakten, die zum Beispiel aus Pollen oder Insektengift gewonnen wurden. "Diese enthalten aber nicht immer alle Allergene in ausreichenden Mengen, was für den Therapieerfolg problematisch sein kann", sagte Breiteneder. So erlitt ein Patient mit Bienengiftallergie trotz einer mehrjährigen Immuntherapie einen schweren Schock. Später stellte sich heraus, dass er gegen Api m 3 allergisch war, wovon in der Lösung nur wenig enthalten war.

Forscher testen jetzt neue Immuntherapien mit einzelnen Allergenen oder Mischungen, etwa Gräserpollen- oder Birkenpollenallergene. Die Therapien waren nicht wirksamer als die klassische Immuntherapie mit dem Extrakt. Vielleicht hat es mehr Sinn, die Extrakte auf andere Weise zu verbessern, etwa indem man einzelne Allergene zum Extrakt hinzugibt, zum Beispiel Api m 3 bei Bienengiftallergie oder Stoffe, die die Immunantwort verstärken.

Aufmarsch der Antikörper

Weiter fortgeschritten ist die personalisierte Therapie mit Medikamenten, die gezielt Botenstoffe oder Signalwege blockieren, die für die allergische Reaktion verantwortlich sind. In Studien werden zurzeit mehr als ein Dutzend Wirkstoffe getestet, zwei sind schon am Markt. Der Antikörper Omalizumab wurde 2005 für Allergiker mit schwerem Asthma zugelassen, jetzt in Wien wurde ein weiterer Antikörper vorgestellt: Mepolizumab. Er blockiert den Botenstoff Interleukin 5, der beim Entzündungsprozess in den Bronchien eine Rolle spielt, was Husten und Atemnot verursacht.

Als wissenschaftlichen Durchbruch bezeichneten viele Allergologen in Wien den neuen Wirkstoff Dupilumab gegen Neurodermitis. "Darauf haben wir zwanzig Jahre gewartet", sagt Stefan Wöhrl. "Wir hatten bisher nichts, womit wir schwere Fälle behandeln können." In den Studien verschwanden damit bei rund 40 Prozent der Patienten die Hautläsionen fast oder vollständig, bei Placebo in rund zehn Prozent. Die Studienergebnisse würden sehr vielversprechend klingen, sagt Thomas Bieber, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie an der Uni in Bonn, "aber wir müssen noch abwarten, bis die Behörde sie geprüft hat. Gibt sie grünes Licht, könnte es sein, dass Dupilumab 2017 zugelassen wird."

Haut wird durchlässiger

Dupilumab blockiert Rezeptoren für die Botenstoffe IL-4 und IL-13. Claudio Rhyner, Molekularbiologe am Schweizerischen Institut für Allergieforschung in Davos, findet den Ansatz gut. "Bei Neurodermitis werden IL-4 und IL-13 vermehrt produziert, was über verschiedene Signalwege dazu führt, dass die Haut durchlässiger wird", erklärte er. "So können Bakterien und Viren aus der Umwelt leichter eindringen, und es entstehen Entzündung und juckende Ausschläge." Dupilumab verhindert die Bindung von IL-4 und IL-13, was die Signalkaskade unterbricht.

"Wir müssen Marker finden, die vorhersagen, welche Patienten von einer Therapie profitieren", sagte Rhyner. "So würde es etwa nur Sinn haben, jene Botenstoffe zu blockieren, die erhöht sind." Bei Mepolizumab bestimmt man vorher die Eosinophilen, weil sie einen Hinweis für vermehrte IL-5-Bildung geben und genau dagegen wirken. Ähnlich hat Omalizumab nur Sinn, wenn die IgE-Spiegel erhöht sind, denn der Antikörper blockiert IgE. (Felicitas Witte, 2.7.2016)