Wien – Mit einer Klage von neun KZ-Überlebenden und der Tochter des 2007 verstorbenen Publizisten und Leiters des Jewish Welcome Service Vienna, Leon Zelman, gegen die Zeitschrift "Aula" und deren Autor Manfred Duswald betritt man in Österreich juristisches Neuland.

Zur Erinnerung: "Die Aula", ein periodisches Blatt mit engen Beziehungen zur FPÖ, publizierte im Sommer 2015 einen Artikel, in dem 1945 aus dem KZ Mauthausen befreite Menschen unter anderem pauschal als "Massenmörder" und "Landplage" bezeichnet wurden – DER STANDARD berichtete.

Ein Ermittlungsverfahren gegen den Autor wurde im Dezember von der Staatsanwaltschaft Graz mit einer mit bis in höchsten Kreise der Justiz umstrittenen Begründung eingestellt. Es sei "nachvollziehbar", hieß es da etwa, dass die befreiten Häftlinge "eine Belästigung" darstellten. Derart bestärkt, legte die "Aula" seither in fast jeder Ausgabe nach. Im Juni 2016 wurde sogar angekündigt, man wolle beweisen, dass die Mehrheit der KZ-Häftlinge in Deutschland und Österreich mehrheitlich Asoziale und Kriminelle waren.

"Fortschreibung der NS-Judikatur"

Für den grünen Parlamentarier Harald Walser ist das eine klare Fortschreibung der NS-Judikatur und widerspreche dem antifaschistischen Grundkonsens, auf dem unsere Demokratie basiere. Walser präsentierte am Donnerstag mit der Medienanwältin Maria Windhager und – stellvertretend für die neun klagenden Holocaustüberlebenden – dem engagierten Zeitzeugen Rudolf Gelbard, der das KZ Theresienstadt überlebte hat, zwei Klagen. Eine zivilrechtliche wegen Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung verbunden mit einem Antrag auf Einstweilige Verfügung gegen die Aula Verlag Ges. m. H. und den Autor Duswald sowie medienrechtliche Anträge Klage gegen den Aula-Verlag.

"Kollektivbeleidigung"

Obwohl hier eine Gruppe pauschal beleidigt wurde und es sich daher juristisch um eine Kollektivbeleidigung handle, sieht Anwältin Windhager gute Chancen auf Erfolg. Denn durch die Tatsache, dass leider nur mehr wenige Betroffene leben, sei die Gruppe "überschaubar geworden". Innerhalb der Kläger gibt es drei Gruppen: politische Häftlinge, jüdische Häftlinge und die Tochter Zelmans, Caroline Shklarek-Zelman, die für ihren Vater den postmortalen Persönlichkeitsschutz geltend machen will. In Deutschland habe man in ähnlichen Fällen Recht bekommen. "Wir gehen daher bis vor den Europäischen Gerichtshof, wenn es nötig ist", sagt Windhager, die darauf hofft, dass den zehn Klägern eine sogenannte Aktivlegitimation zugestanden wird.

"Windhager hätte das Verfahren lieber beim Landesgericht in Wels gesehen, um mehr Abstand zur involvierten Staatsanwaltschaft Graz zu haben", und auch, "weil ich als Oberösterreicherin weiß, dass es da ein Bewusstsein dafür gibt, wofür das KZ Mauthausen steht".

Doch angesichts dessen, dass die "Aula" in Graz sitzt, wird das Verfahren dort abgewickelt. Die zivilrechtliche Klage wurde bereits eingebracht. Die medienrechtlichen Anträge folgen dieser Tage. Zivilrechtlich wird auch auf Unterlassung und Widerruf geklagt. "Wir wollen sicherstellen, dass so etwas ab sofort nicht mehr behauptet werden kann", so Windhager zum STANDARD. (Colette M. Schmidt, 7.7.2016)