Das Areal zwischen Hotel Intercontinental und Konzerthaus soll samt Wohnturm neu entwickelt werden. Die Fläche des Eislaufvereins ist im Sommer derzeit noch ein Stadtstrand ("Sand in the City").

Foto: Heribert Corn

Wien – Die Neugestaltung des zentrumsnahen Areals am Heumarkt im dritten Wiener Bezirk hängt in der Schwebe. Wie berichtet hat die grüne Planungsstadträtin Maria Vassilakou dem Prestigeprojekt von Investor Michael Tojner (Wertinvest) inklusive eines geplanten 73-Meter-Wohnturms in bester Lage Mitte Mai eine "Nachdenkpause" verordnet. Anfang Juli wurde diese in Worte verpackt: "Das Projekt am Wiener Heumarkt bedarf einer Weiterentwicklung", wurde die Vizebürgermeisterin in einer Aussendung zitiert.

Über den Sommer soll die Neugestaltung der Fläche mit Hotel Intercontinental, Konzerthaus und Eislaufverein also erneut von Vertretern der Stadt Wien und Experten intensiv diskutiert werden. Dieser Prozess wurde vor mehr als vier Jahren gestartet, im Februar 2014 ging der Brasilianer Isay Weinfeld als Sieger des internationalen Architekturwettbewerbs hervor. Im Herbst 2016 soll endlich eine Lösung vorliegen.

Lösung bis Herbst angekündigt

Die Situation ist allerdings mehr als verfahren. Denn in der Arbeitsgruppe, die in nur wenigen Monaten eine Einigung erzielen soll, sitzen erneut jene Experten, die sich schon bisher mit dem Projekt befasst haben. Neben Architekt Rüdiger Lainer, dem Vorsitzenden des Fachbeirats für Stadtplanung und Stadtgestaltung, sind das etwa Markus Allmann, der Vorsitzende des Architektenwettbewerbs, oder Unesco-Experte Kunibert Wachten. Als "Moderator" ist TU-Professor Christoph Luchsinger tätig, der das aktuelle Hochhauskonzept der Stadt Wien entworfen hat.

Der 73-Meter-Turm mit Luxuswohnungen ist der umstrittenste Teil der Neugestaltung. Laut dem Verein Icomos, der die Unesco berät, sei damit das Welterbeprädikat für das historische Zentrum Wiens gefährdet. Auch der Fachbeirat, der sich seit Frühjahr 2014 bereits fünf Mal mit dem Projekt befasst hat, kritisiert in seiner jüngsten Stellungnahme neben dem Durchwegungskonzept des Areals auch das Hochhaus, "dessen gedrungene Massivität sich der Einfügung in den Kontext entzieht", wie es heißt. "Dies sollte überdacht werden."

Verwarnung durch Unesco droht

Auf der jährlichen Unesco-Konferenz zum Welterbe, die aktuell in Istanbul tagt, soll das umstrittene Projekt ebenfalls besprochen werden. Bei der Tagung könnte für Wien eine Verwarnung ausgesprochen werden. Die Unesco äußert in einem vorläufigen Beschlussantrag ernste Bedenken zum Neugestaltungsprojekt.

Vonseiten des Projektwerbers heißt es freilich weiterhin: "Basis muss der Weinfeld-Entwurf bleiben." Das sagte Wertinvest-Geschäftsführerin Daniela Enzi dem STANDARD. Was übersetzt so viel heißt, wie: An der Höhe gibt es eher nichts zu rütteln.

Denn mit dem Luxuswohnturm sollen "Vorteile für die Öffentlichkeit" querfinanziert werden: Geworben wird mit der Zugänglichkeit des zentralen Platzes im Sommer sowie einem konsumfreien Aufenthalt. Geplant ist auch eine frei zugängliche Stadtterrasse. Ein Turnsaal für öffentliche Schulen und Vereine muss ebenfalls laut städtebaulichem Vertrag errichtet werden. Und die Flächen des Eislaufvereins sollen um 30 Millionen Euro saniert werden.

Vassilakou unter Druck

Vassilakou selbst agierte beim bisherigen Prozess alles andere als souverän. Noch Ende März 2016 sagte sie im Gemeinderat, dass "die Stadt Wien" der Ansicht sei, dass das Hochhausprojekt das Welterbe nicht negativ beeinträchtigen würde. "Den Fokus allein auf die Höhenfrage zu richten" sollte laut Experten vermieden werden, sagte Vassilakou damals.

Nach einem Aufstand von immer mehr grünen Funktionären verfügte sie im Mai aber die "Nachdenkpause". Sollte das Projekt nach einem so langen Prozess mangels einer Einigung im Herbst ganz gestoppt werden müssen, würde das wohl auch eine negative Imagewirkung auf private Investitionen in Wien haben.

Auch beim umstrittenen Thema Lobau-Tunnel geriet Vassilakou zuletzt unter Druck. Die Vizebürgermeisterin sagte vergangene Woche zunächst, dass der Tunnel unter dem Nationalpark kommen werde, sollten die Prüfungen des Projekts positiv ausgehen.

Einen Tag später ruderte sie zurück und erklärte, dass sich an ihrer Position und an jener der Wiener Grünen nichts geändert habe. "Wir halten ihn für keine gute Lösung für die Verkehrsprobleme Wiens." (David Krutzler, 12.7.2016)