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Die antiretrovirale Therapie wirkt: Sie senkt die Virus-Last bis unter die Nachweisgrenze.

Foto: APA/EPA/NARENDRA SHRESTHA

London/Wien/Durban – Die Einnahme von Aids-Medikamenten kann das Risiko einer Übertragung des HI-Virus durch ungeschützten Geschlechtsverkehr fast auf null senken. Das zeigt die bisher größte Untersuchung mit fast 900 Paaren, die nun im "Journal of the American Medical Society" ("JAMA") veröffentlicht wurde.

Die für die Studie untersuchten HIV-positiven Probanden nahmen regelmäßig antiretrovirale Medikamente ein, die die Virus-Last im Körper bis unter die Nachweisgrenze bringen können. Die Virus-Konzentration musste unter 200 Partikel pro Milliliter Blut unter der antiretroviralen Therapie betragen. Die HIV-negativen Partner wurden regelmäßig auf eine eventuelle Infektion untersucht.

In Fragebögen machten die Paare Angaben über ihr Sexualleben. Die Daten von 888 Paaren konnten für die Auswertung herangezogen werden. Knapp 62 Prozent der Paare waren heterosexuell, 340 Paare (38 Prozent) waren Männer, die mit Männern Sex hatten. Insgesamt kam es der Studie zufolge zu rund 58.000 ungeschützten Sexualkontakten.

Bestätigung früherer Studien

Insgesamt waren an der Studie 75 europäische Aids-Zentren beteiligt. Unter den Wissenschaftern befanden sich auch Spezialisten der Wiener und der Innsbrucker Universitätsklinik. Österreichische Co-Autoren waren Armin Rieger (Universitäts-Hautlinik/Wien im AKH) und Robert Zangerle (Universitäts-Hautklinik/Innsbruck). Im Untersuchungszeitraum, der sich im Durchschnitt auf 1,3 Jahre pro Paar belief, konnten die Wissenschafter keinen einzigen Fall dokumentieren, in dem der infizierte Partner den HIV-negativen Partner angesteckt hatte.

Grundsätzlich war das auch schon bisher durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt. Bereits 2008 hatte es in einem Schweizer Expertenstatement geheißen: "Eine HIV-infizierte Person ohne andere sexuell übertragbare Erkrankung unter einer antiretroviralen Therapie (ART) mit vollständig supprimierter Virämie ist sexuell nicht infektiös, das heißt, sie gibt das HI-Virus über Sexualkontakte nicht weiter." In mehreren Beobachtungsstudien – eine davon dauerte 14 Jahre lang – hatte bereits gezeigt werden können, dass eine starke Unterdrückung der Viruskonzentration durch die antiretrovirale Therapie das Infektionsrisiko drastisch senkt.

Keine generelle Entwarnung

Die Autoren der neuen Studie äußern sich dazu noch eher vorsichtig. Für die Antwort auf die Frage, ob ungeschützter Sex in solchen Fällen grundsätzlich unbedenklich sei, müssten noch weitere Untersuchungen angestellt werden, schreiben die Wissenschafter um Alison Rodger vom University College in London. Allerdings gäben die bisherigen Befunde den betroffenen Paaren "informative Daten zur Hand, auf die sie ihre Risikoeinschätzung stützen könnten".

Im Verlauf des Untersuchungszeitraums infizierten sich zwar elf zu Beginn nicht infizierte Männer mit dem HI-Virus, allerdings hätten Molekularuntersuchungen ergeben, dass sie das Virus nicht von ihrem infizierten Partner hatten. Acht der elf Betroffenen hätten angegeben, außerhalb der Beziehung ungeschützten gleichgeschlechtlichen Sex gehabt zu haben.

In einem Kommentar zu den Befunden der Studie rieten die Infektionsforscher Eric Daar und Katya Corado von der University of California von einer generellen HIV-Entwarnung ab. Zwar sei das Infektionsrisiko bei einer medikamentösen Behandlung "gering", allerdings bedürfe es weiterer Untersuchungen, um dieses Risiko genau abschätzen zu können, so die Experten. (APA, AFP, 13.7.2016)