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Roger Ailes verlässt "Fox News".

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/Drew Angere

New York – Die Welt amerikanischer Republikaner steht Kopf: Just an jenem Tag, an dem Donald Trump, ein ehemaliger Fernsehstar und Immobilienunternehmer mit vormals liberalen Position, seinen großen Auftritt als Präsidentschaftskandidat der "Grand Old Party" hat, muss einer der mächtigsten Männer im Reich der US-Konservativen zurücktreten.

Roger Ailes, Vorstandsvorsitzender, Mitbegründer und Chef des rechtsgerichteten US-Kabelsenders "Fox News" räumt seinen Platz und verlässt das Unternehmen. Das wurde am Donnerstagabend aus Unternehmenskreisen bekanntgegeben. Wie die "New York Times" berichtet, bekommt er dafür 40 Millionen US-Dollar Abfindung. Trotzdem war der Abgang nicht freiwillig: Ailes wird von einer ehemaligen Moderatorin des Senders beschuldigt, vom 76-Jährigen sexuell belästigt worden zu sein.

TV-Genie

Ailes gilt als TV-Genie, der den einst als chancenlos geltenden Sender zum erfolgreichsten Kabelkanal des Landes gemacht hat – und nebenbei zur Cash-Cow für Eigentümer "21st Century Fox". Als "Fox News" im Oktober 1996 von Ailes und seinem Vorgesetzten, dem legendären wie gefürchteten konservativen "News Corp"-Chef Rupert Murdoch, gegründet wurde, glaubte kaum jemand an eine Zukunft des damals noch kleinen Senders. Das Kabel-TV-Nachrichtengeschäft war in den 1990ern vom übermächtigen Konkurrenten CNN dominiert und der TV-Gigant NBC hat sich erst im selben Jahr mit dem Tech-Giganten Microsoft zusammengetan um den Nachrichtensender MSNBC zu gründen.

Trotzdem gelang es Ailes innerhalb weniger Jahre und mit einem unglaublichen Gespür für Infotainment und Talent den Sender zum Marktführer in US-Kabelhaushalten zu machen. Ab 2002 überholte Fox News Konkurrenten CNN in der Quotenschlacht, mittlerweile hat der Sender (Tagesschnitt: 1,4 Millionen) oft mehr Zuseher als CNN und MSNBC zusammen.

Comedian Jon Stewart über den Slogan "Fair and balanced" bei "Fox News".
The Late Show with Stephen Colbert

Dafür war Ailes bereit journalistische Grundprinzipien zu opfern: Zwar hat er dem Sender in einem perfiden wie genialen Marketingtrick den Slogan "Fair and balanced" (Fair und ausgewogen) verpasst, gleichzeitig aber ein stramm rechtes Programm, das alles Liberale in den USA verteufelt, produziert. Damit hat er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen:

Einerseits hat er neue, konservative Zuseherschichten angesprochen, die sich von den – als allgemein liberal geltenden – US-Medien bisher nicht angesprochen fühlten. Andererseits ersparte er sich durch die bisweilen obskure Berichterstattung (z.B. ein vermeintlicher, von Liberalen geführter "Krieg gegen Weihnachten") eine kostspielige Nachrichteninfrastruktur, die zum Beispiel Konkurrent CNN mit 40 Auslandsbüros betrieben hat.

Gespür für Talente

Ailes kam dabei auch sein Gespür für Talente zugute. Der erfahrene TV-Profi, der zuvor beim Wirtschaftssender CNBC arbeitete, baute Moderatoren wie Bill O'Reilly, Megyn Kelly und Sean Hannity zu Superstars der Nachrichtenbranche auf.

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Megyn Kelly wurde von Roger Ailes entdeckt und über die Jahre zu einem der Stars des Senders aufgebaut. Mittlerweile moderiert sie eine Hauptabendshow auf "Fox News" und die Präsidentendebatten.
Foto: AP Photo/Chris Carlson, File

Einer dieser Stars brachte ihn nun zu Fall. Ailes war in den vergangenen Wochen öffentlich unter Druck geraten, nachdem Gretchen Carlson, eine ehemalige Moderatorin des Morgenprogramms, Anschuldigungen gegen den 76-Jährigen erhoben hat. Demnach soll Ailes sie sexuell belästigt haben, indem er der Moderatorin sagte, sie würde ihre Karrierechancen verbessern, wenn sie eine sexuelle Beziehung mit ihm eingehen würde. Nachdem ihr Vertrag nicht verlängert wurde, verklagte Carlson den mächtigen Chef des Kabelsenders, dieser bestritt die Vorwürfe. "21st Century Fox", Eigentümer von "Fox News", ordnete jedoch eine unabhängige Untersuchung an – die Auflösung seines Vertrages war nun die Folge.

Generationswechsel

Der Rückzug von Ailes ist wohl auch auf einen Generationswechsel innerhalb von Eigentümer "21st Century Fox" zurückzuführen. Schließlich sind dies nicht die ersten Anschuldigungen dieser Art gegen Ailes, aber noch-Chef Rupert Murdoch hielt seinem Vertrauten bisher immer den Rücken frei. Murdochs beide Söhne, Lachlan und James, die erst vor Kurzem in den Vorstand des Milliardenimperiums aufgerückt sind, sind aber US-Medienberichten zufolge auf Ailes nicht gut zu sprechen.

Dass die Zeit von Ailes als Chef des Senders abgelaufen ist, wurde diesem und der Öffentlichkeit bereits am Mittwoch wenig subtil auf dem Titelblatt der "New York Post" mitgeteilt.

Das New Yorker Boulevardblatt gehört Rupert Murdochs "News Corporation" und hat zuvor auffallend wenig über die Vorwürfe gegen Ailes berichtet. (stb, 21.7.2016)