Wieder im Rampenlicht einer "Killerspiel"-Debatte: Der Taktik-Shooter "Counter-Strike".

Foto: Counter Strike: Source

Erfurt (2002), Emsdetten (2006), Winnenden (2009). Drei Amokläufe junger Menschen erschütterten im vergangenen Jahrzehnt die deutsche Öffentlichkeit. Viel wurde über den möglichen Auslöser der Bluttaten diskutiert. Zum Politikum wurden Videospiele mit Gewaltinhalten, besonders der Taktik-Shooter "Counter-Strike", der beim Erfurter Täter Robert S. gefunden worden war, wurde zum unfreiwilligen Aushängeschild der sogenannten "Killerspiel"-Debatte.

Deutscher Innenminister tritt Debatte los

Diese ebbte gegen Ende des Jahrzehnts ab. Nun entflammt sie erneut, nachdem der deutsche Innenminister Thomas de Maizière infolge der Ereignisse in München Videospielen eine Mitverantwortung unterstellt hat.

Denn das Lieblingsspiel des Täters soll "Counter-Strike: Source" gewesen sein. Der Regierungspolitiker sprach von einem "unerträglichen Ausmaß von gewaltverherrlichenden Spielen im Internet." Kritik an seinen Äußerungen ließ nicht lange auf sich warten.

Keine klaren Forschungsergebnisse

Bis heute fehlt es an klaren Nachweisen, dass Spiele mit Gewaltinhalten direkt in Zusammenhang mit realer, physischer Gewalt stehen. Schon kurz nach der Bluttat in Erfurt hatte die deutsche Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften "Counter-Strike" unter die Lupe genommen. Der Befund: Das Spiel besitze keinen "Gefährdungsgrad", der eine Indizierung – und damit ein Verbot des offenen Verkaufs – rechtfertige. Man solle den Titel aber nicht Unter-16-jährigen zugänglich machen, was ohnehin der bisherigen Einstufung entsprach.

Seitdem sind auch zahlreiche Studien erschienen. Die Ergebnisse sind breit gefächert. Eine der wenigen Langzeitstudien stammt von der Universität Bielefeld. Sie basiert auf Befragungen, die seit über 15 Jahren durchgeführt werden, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Bislang konnte man keine "direkte Verstärkung der Gewaltdelinquenz" feststellen, wohl aber eine "Verstärkung von Einstellungen, die gewalttätiges Verhalten befürworten." Eine Meta-Studie, also eine Untersuchung, die andere Studien auswertet, erbrachte keine eindeutigen Ergebnisse.

CDU schießt sich auf Spiele ein

Dementsprechend hat de Maizière seine Aussage entgegen der Forschungslage getroffen, obwohl er seine Ansichten von "vielen Studien" bestätigt sah. Auch andere Politiker haben sich bereits zu Wort gemeldet. "Es gibt für alles Grenzen, wenn Gewalt damit gefördert wird", erklärte etwa Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag der "Welt am Sonntag". Es sei außerdem "überall im Internet" extremistische Propaganda zu finden.

Parteikollegin Regina Gönner tat auf Facebook ihre Befürchtung kund, dass sich "in vielen Köpfen die Logik von Killerspielen festgesetzt hat", in denen man Schaden anrichten und dann einfach neu laden könne.

Kritik

Standpunkte, mit denen sich deutsche Spielemedien nicht anfreunden können. Einen "Rückfall in alte Amokreflexe", nennt man bei der PC Games den Neustart der Diskussion. Die Diskussion sollte zwar geführt werden, heißt es bei der Gamestar, jedoch "ohne Schaum vor dem Mund".

Öffentlich Entgegnungen kamen auch von anderer Stelle. Die Piratenpartei warf dem Innenminister in einer Aussendung "billigen Populismus" vor. Scharfzüngig meldete sich auch der Satiriker Jan Böhmermann auf Twitter zu Wort. "Wie kommt ein 18jähriger in Deutschland an eine Pistole und 300 Schuss Munition? Hat er bestimmt in einem Killerspiel gekauft", kommentierte er.

Debatte zuletzt sachlich

Tatsächlich war das Thema in den letzten Jahren gelassener besprochen worden. 2009 haben die Branchenverbände der Spieleentwickler, GAME und BIU gemeinsam mit dem Infrastrukturministerium den "Deutschen Computerspielpreis" ins Leben gerufen. Dieser ist mit 250.000 (ab 2017: 450.000) Euro dotiert.

Auch Games, die für viele Kritiker wohl in die "Killerspiel"-Kategorie fallen dürften, waren dabei bereits erfolgreich. 2012 gewann der Egoshooter "Crysis 2" den Preis für das beste deutsche Spiel. 2015 wurde als solches das düstere und konzeptuell an "Dark Souls" angelehnte Action-Rollenspiel "Lords of the Fallen" ausgezeichnet.

Amokläufer fiel mit Hasstiraden auf

Ein Argument dafür, warum eine Debatte durchaus angebracht ist, liefert ein Kommentar beim "Spiegel", inklusive Forderung nach einer sachlichen Debatte. Man müsse darüber nachdenken, die Spielergemeinden mit Mitgliedern umgehen, die offenkundig schwere Probleme haben.

Der Münchner Attentäter soll laut Aussagen ehemaliger Mitspieler in "Counter-Strike" unter Pseudonymen wie "Amoklauf" und "Hass" unterwegs gewesen, den Amokläufer von Winnenden gelobt und Hassbotschaften gegen Türken verbreitet haben. Im vergangenen Winter sei der Kontakt schließlich abgebrochen.

To be continued

Die möglichen Einflüsse von Games auf ihre Konsumenten werden auch weiter Gegenstand der Forschung bleiben. Denn durch den Anbruch des Virtual-Reality-Zeitalters sind künftig viel intensivere Erlebnisse in digitalen Welten möglich. Videospiele werden also auch in den kommenden Jahren wohl für reichlich Diskussionsmaterial sorgen. (Georg Pichler, 25.07.2016)