In dem Lkw wurden 71 tote Flüchtlingen gefunden. Die "Kronen Zeitung" zeigte ein Foto aus dem Inneren des Fahrzeugs – zugespielt aus Polizeikreisen.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – "Pietätlos" war noch einer der harmloseren Ausdrücke, mit denen Leser auf den Abdruck eines Fotos auf Seite drei in der "Kronen Zeitung" vom 28. August 2015 reagierten. Zu sehen waren zusammengepferchte tote Flüchtlinge. Unverpixelt. Die Leichen wurden in einem Lkw auf der Ostautobahn gefunden. Zugespielt wurde der "Krone" das Foto aus Polizeikreisen.

Wie das Bild am Tag des Flüchtlingsdramas mit 71 Toten in die Hände der Zeitung kam und ob dabei etwa Geld floss, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Denn auch rund ein Jahr später ist die Causa noch nicht vom Tisch. Ermittelt wird gegen insgesamt 17 Polizisten, sagte Roland Koch von der Staatsanwaltschaft Eisenstadt dem STANDARD.

Strafmaß: Drei Jahre

Als Delikt steht Verletzung des Amtsgeheimnisses im Raum, was mit bis zu drei Jahren Haft geahndet werden kann. "Untersucht wird nur, ob es ein strafrechtlich relevantes Verhalten gibt und ob dies nachweisbar ist", so Koch. Etwaige disziplinäre Maßnahmen seien dann Sache der Polizei.

Die Ermittlungen sollen in den nächsten Monaten abgeschlossen werden. An ein Strafverfahren anknüpfen könnten interne Maßnahmen der Polizei wie ein Disziplinarverfahren, sagt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, dem STANDARD.

Nach der Veröffentlichung hatte die "Kronen Zeitung" das Bild auch noch anderen Medien verkauft. Gedruckt wurde es beispielsweise in der deutschen "Bild"-Zeitung. Laut "Kronen Zeitung" wurde die Summe aus dem Verkauf verdoppelt und an die Flüchtlingsbetreuung gespendet.

Rüge durch den Presserat

Das "Krone"-Foto führte mit 180 Mitteilungen zu einer Beschwerdeflut beim Österreichischen Presserat. Das Selbstkontrollorgan rügte das Medium wegen Missachtung der Menschenwürde der Verstorbenen. Im Gegensatz dazu steht das Urteil des Deutschen Presserats, der in der Veröffentlichung keinen Verstoß gegen den Ehrenkodex der Presse sah.

Das Foto mit den toten Flüchtlingen ist nur ein Beispiel für die Allianz zwischen der "Kronen Zeitung" und Kreisen der Exekutive. So fand Anfang des Jahres eine Razzia der Polizei in Justizanstalten im Beisein der "Kronen Zeitung" statt. Ende 2014 war die Zeitung bei einer Terrorrazzia vor Ort. Auf krone.at wählen User jährlich den "Polizisten des Jahres". (Oliver Mark, 25.7.2016)