Nicht jeden Tag Fleisch: Ein bis zwei Gemüsetage pro Woche tun dem Körper gut, zeigen Studien.

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Eiweiß ist nicht gleich Eiweiß. In zwei Langzeitstudien war die Aufnahme tierischer Proteine mit einem höheren Sterberisiko verbunden als die pflanzlicher Proteine. Mingyang Song von der Harvard Medical School in Boston (Massachusetts, USA) und Kollegen veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachmagazin "Jama Internal Medicine".

Frühere Untersuchungen hätten bereits gezeigt, dass es gesund sei, Kohlenhydrate durch Proteine zu ersetzen, heißt es in einer Pressemitteilung der Harvard Medical School. Im Hinblick auf seine Studie ergänzte Song: "Die einzelnen Lebensmittel, die Menschen zu sich nehmen, um an Proteine zu gelangen, sind ebenso wichtig."

In der Studie waren die wichtigsten Quellen für tierisches Eiweiß verarbeitetes und unverarbeitetes Rinder- und Schweinefleisch, Hühnerfleisch, Milchprodukte, Fisch und Eier. Pflanzliches Eiweiß stammte vor allem aus Brot, Getreide, Nudeln, Nüssen, Bohnen und Hülsenfrüchten.

Mensch als Gewohnheitstier

Die Forscher nutzten die Daten zweier Langzeitstudien, die die Gesundheit und die Ernährungsgewohnheiten von Berufstätigen im Gesundheitssektor aufzeichneten. Sie werteten die Datensätze von 85.013 Frauen und 46.329 Männern aus. Für die Frauen waren Daten von 1980 bis 2012 verfügbar, für die Männer von 1986 bis 2012. Die Probanden berichteten per Fragebogen alle zwei Jahre über ihren Lebensstil und ihre Gesundheit und alle vier Jahre detailliert über die Lebensmittel, die sie durchschnittlich zu sich nahmen.

Während der Langzeitstudien starben 36.115 der Teilnehmer, 8.851 durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 13.159 durch Krebs und 14 105 durch andere Ursachen. Die Forscher setzten die Ernährungsdaten in Bezug zu den Todesursachen und fanden einen Zusammenhang zwischen der aufgenommenen Menge an tierischem Protein und dem Sterberisiko. Bei Übergewichtigen und denen, die viel Alkohol tranken, war der Zusammenhang besonders ausgeprägt.

Das Team errechnete auch, wie sich Zu- und Abnahme tierischer und pflanzlicher Proteine in der Ernährung auf das Sterberisiko auswirkt. Nach der Bereinigung der Risikofaktoren aus Lebensstil (Zigaretten, Alkohol, Übergewicht, Bewegung) und Ernährung ergab sich für den Studienzeitraum: Wenn der Anteil an tierischem Protein um zehn Prozent im Verhältnis zur gesamten Kalorienaufnahme zunimmt, erhöht sich das Sterberisiko allgemein um zwei Prozent, das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, sogar um acht Prozent. Im Gegensatz dazu sinkt das Sterberisiko um zehn Prozent, wenn drei Prozent mehr pflanzliches Protein in der Nahrung enthalten ist.

Pflanzen statt Fleisch

Noch deutlicher sind die Zahlen, wenn ein Teil der aufgenommenen tierischen Proteine durch pflanzliche ersetzt wird. Dabei lohnte sich insbesondere die Nahrungsumstellung von verarbeitetem Rinder- und Schweinefleisch (zum Beispiel Würstchen) und Ei auf pflanzliche Proteine. "Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Leute in Betracht ziehen sollten, mehr pflanzliche Proteine zu essen, und wenn sie unter den Quellen für tierisches Protein auswählen, sind Fisch und Huhn sicherlich die bessere Wahl", hob Song hervor.

Das Studienergebnis ist für Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke nicht überraschend. Es bestätige die Forschung mit Langzeitdaten, an dem sein Institut beteiligt ist. "Zwei renommierte Langzeitstudien stellen die Grundlagen dar, und die statistische Analyse und Auswertung sind sehr umsichtig vorgenommen worden", sagt Boeing. "Die Studie zeigt, dass Pflanzen eine sehr gute Eiweißquelle sind und dass zu den ökologischen Problemen der Fleischproduktion auch noch ein Gesundheitsrisiko beim Fleischverzehr hinzukommt."

Auch Bernhard Watzl vom Max-Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe, hält die zugrunde liegenden Erhebungen für "wissenschaftlich sehr gut gemacht". Allerdings sei fraglich, ob die Ergebnisse auf die Allgemeinbevölkerung übertragbar sind, weil alle Probanden im medizinischen Umfeld berufstätig seien. "Gegenwärtig empfehlen einige Experten eine hohe Proteinzufuhr, unter anderem als Maßnahme zur Gewichtsreduktion. Allerdings sind die Langzeiteffekte einer solchen Ernährung nicht bekannt." Hier gebe die Studie wichtige Hinweise auf gesundheitliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Proteinquellen.

Supermärkte rüsten sich

Vegane oder vegetarische Lebensmittel vom Soja-Schnitzel bis zur Veggie-Grillwurst nehmen immer mehr Platz in den Regalen der deutschen Supermärkte ein. "Der Markt boomt, und ein Ende ist nicht in Sicht", urteilt das Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) in einer Studie zum Siegeszug der Veggie-Produkte.

Doch angeheizt wird der Siegeszug der fleischlosen Produkte nicht in erster Linie von der wachsenden Zahl überzeugter Vegetarier oder Veganer. "Die eigentlichen Träger des Veggie-Booms in Deutschland" seien die sogenannten Flexitarier: Verbraucher, die zwar ihren Fleischkonsum reduzieren, aber durchaus nicht völlig auf den Genuss eines Steaks oder einer Bratwurst verzichten wollen, berichtet die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).

Mehr als ein Drittel der Haushalte in Deutschland reduzieren nach Angaben der Marktforscher inzwischen bewusst den Verzehr von Fleisch. Vor allem in der Altersgruppe der über 50-Jährigen wachse die Zahl der Flexitarier. Ein wichtiger Grund dafür sei die Sorge um die eigene Gesundheit. Vegetarier finden sich dagegen laut GfK nur in jedem 20. Haushalt.

Ein bis zwei Veggie-Tage pro Woche

In Supermärkten und Diskontern wird das Angebot an vegetarischen und veganen Produkten Schritt für Schritt ausgebaut, viele lancieren Eigenmarken. Auch immer mehr Wurst- und Fleischwarenproduzenten entdecken die Nische für sich und erweitern ihre Produktpaletten um fleischlose Variationen.

Dabei sind die Umsätze mit veganen und vegetarischen Lebensmitteln insgesamt noch eher gering. Laut IFH machen sie aktuell gerade 0,6 Prozent des Lebensmittelmarktes ohne Tabakwaren aus. Aber die Zahl der Vegetarier, Veganer und Flexitarier wächst kontinuierlich. "Wir werden wohl die erste und letzte Generation sein, die jeden Tag Fleisch auf dem Teller hat", meint Christian Rauffuss, Eigentümer des Wurstherstellers Rügenwalder. (red/APA, 2.8.2016)