Auch Kolumbiens Rugby-Frauen, die Tukans, sind beim historischen Turnier in Rio mit von der Partie.

Foto: APA/AFP/ARBOLEDA

Bild nicht mehr verfügbar.

Vorrunde, Gruppe C: Die Japanerin Kana Mitsugi tackled Kanadas Natasha Watcham-Roy (links).

Foto: reuters/noble

Coacht Fidschi: Ben Ryan.

Foto: APA/AFP/LAWRENCE

Eine hübsche Elferfrage für Quizliebhaber unterschiedlichster Couleur könnte lauten: Wer ist regierender Olympiasieger im Rugby? Die richtige Antwort lautet USA – und liegt nicht unbedingt auf der Hand. Die Schwierigkeiten bei der Wahrheitsfindung könnten damit zu tun haben, dass sich dieser Triumph vor mittlerweile 92 Jahren ergeben hat. Damals, 1924 in Paris, endete die kurze und nicht gerade umwerfend erfolgreiche olympische Geschichte des Sports. Vier Spiele hatte er insgesamt geschmückt, nie war das Feld jedoch über mehr als drei Teilnehmer hinausgekommen.

Im für lange Zeit letzten Endspiel bezwangen die US-Amerikaner Gastgeber Frankreich 17:3, was einen Platzsturm enttäuschter Zuschauer zur Folge hatte. Obwohl die französischen Spieler ihr Bestes taten, um die Amerikaner zu schützen, brachte dieser unwürdige Vorfall das Fass zum Überlaufen. Rugby hatte olympisch für lange Zeit fertig.

Ähnlichkeiten, Unterschiede

Die Wiedergeburt in Rio erfolgt, nach Jahren anhaltender Lobbyingarbeit des Weltverbandes, in Form der Siebener-Variante. Dies deshalb, da ein Turnier mit Teams in voller Mann- und Fraustärke (15) den olympischen Rahmen aufgrund der körperlichen Belastungen, sowie der in der Folge notwendig einzuhaltenden Regenerationszeiten, sprengen würde. Obwohl sich das Regelwerk nicht vom "großen Rugby" unterscheidet, ist dies, was die Charakteristik des Siebenerspiels betrifft, aufgrund der äußeren Parameter sehr wohl der Fall.

Nur zweimal sieben Minuten statt zweimal 40 dauert eine Partie, die radikal reduzierte Zahl an Spielern (drei Forwards, vier Backs pro Team) auf einem Spielfeld mit unveränderten Ausmaßen verändert die Ausgangslage dramatisch. Der massive Zuwachs an Platz pro Sportler forciert – mindestens in der Theorie – schnelles und spektakuläres Laufspiel und treibt den Score nach oben. Die Suche nach dem Kontakt hingegen wird eher vermieden, da die Gefahr eines Ballverlusts aufgrund des Mangels an Unterstützern aus den eigenen Reihen exorbitant ansteigt. Die Standards – Scrum und Lineout – spielen vergleichsweise ebenfalls eine untergeordnete Rolle.

Eine Frage der Fitness

Wie jenes von Beachvolley zum klassischen Volleyball könnte man das Verhältnis der Spielart Sevens mit dem 15er Spiel in etwa beschreiben, meint Stiig Gabriel gegenüber dem STANDARD. Bei allen Vorzügen, würde dessen Facettenreichtum jedoch fehlen, so der Sportdirektor von Österreichs Rekordmeister RU Donau.

Die physischen Anforderungen an die Spieler sind aufgrund der Intensität der Matches – jeder ist quasi permanent in Bewegung – allerdings immens, entsprechende Fitnesslevels die wichtigste Grundlage für den Erfolg. Ebenfalls unabdingbar sind Allround-Fähigkeiten (Schnelligkeit gepaart mit Technik), das Spezialistentum ist im Vergleich zur 15er-Variante kaum ausgeprägt. Kommen auch Antizipation und Disziplin hinzu, wäre die Rezeptur für den idealen Siebener-Helden wohl gefunden.

Spaniens Kapitän Pablo Feijoo ist zu Tränen gerührt, nachdem sein Team die Favoriten aus Samoa in einem dramatischen Entscheidungsspiel mit 22:19 geschlagen und sich damit den letzten noch offenen Platz im Starterfeld für Rio gesichert hatte.
World Rugby

Sein Wesen als eine Art Rugby-Kondensat ist der größte Verkaufsschlager des Sevens, das anno 1883 dem Genieblitz eines schottischen Fleischhauerlehrlings entsprungen war. Viel Spektakel in kurzer Zeit gilt in der Ära der kurzen Aufmerksamkeitsspanne als ebenso zuschauerfreundlich wie fernsehtauglich. Mehrere Matches pro Tag sind kein Problem, das olympische Turnier etwa wird innert drei Tagen einer Entscheidung zugeführt (Frauen: 6. bis 8.8., Männer: 9. bis 11.8.), je zwölf Teams haben die Qualifikation geschafft. Belebend wirken auch die mit Blick auf die Verhältnisse beim klassischen Fünfzehner-Code deutlich verschobenen globalen Kräfteverhältnisse. So mischen bei den Herren Kenia und die USA im Spitzenfeld mit, bei den Frauen die Kanadierinnen.

Boom und Fokus Fidschi

Die Entscheidung zugunsten einer Aufnahme ins olympische Programm hat einen Boom ausgelöst. Seit 2009 hat sich die Gesamtzahl an Aktiven global auf 7,73 Millionen mehr als verdoppelt, bei den Frauen gar verzehnfacht. Wichtig für den Wachstumsprozess war auch die steigende Popularität der seit 1999 jährlich ausgetragenen World Rugby Sevens Series, einer Turnierserie, an der die besten Siebener-Mannschaften teilnehmen. Zuletzt ging der Gesamtsieg bei den Herren zweimal an Fidschi, das neben Rekordtitelträger Neuseeland (12) und Südafrika zu den Topfavoriten zählt. Das Oval bedeutet für die Menschen in der Südsee die Welt, unter den etwas mehr 900.000 Einwohnern sind nicht weniger als 80.000 registrierte Aktive. Die Mission ist klar: Es gilt, die historisch erste Medaille für die kleine Republik zu gewinnen.

Die Chancen stehen hervorragend, die Fidschianer scheinen für die Spielart Sevens geradezu prädestiniert. Körperliche Vorzüge (Athletik, Agilität) verbinden sich mit unbändigem Wagemut und ebensolcher Lust am Spiel zu einer an manchen Tagen unwiderstehlichen Mischung, dem Markenzeichen namens Fidschi-Stil. Die Aufgabe, diesen möglichst auch dauerhaft abrufbar zu machen, obliegt Ben Ryan. Der Engländer coacht das Nationalteam seit 2013 und ist bereits jetzt so erfolgreich wie kein anderer Trainer vor ihm. Als der Beginn seiner Amtszeit mit einem finanziellen Engpass beim fidschianischen Verband koinzidierte, erklärte sich der 44-Jährige bereit, in den ersten vier Monaten auf Gehalt zu verzichten – ein Novum für den Coach einer Weltklassemannschaft. (Michael Robausch)

Links:

Das Frauen-Turnier

Das Männer-Turnier