Boris Palmer ist beim Flüchtlingsthema nicht auf Parteilinie.

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Die Linkspartei will ihrer eigenen Chefin am liebsten das Wort verbieten.

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Tübingen/Wien – Boris Palmer ist für seine kontroversiellen politischen Ansichten und polarisierenden Debattenbeiträge bekannt. Vor allem im Umgang mit der Flüchtlingskrise steht der grüne Bürgermeister der baden-württembergischen Stadt Tübingen im Widerspruch zu den Dogmen seiner Partei. So forderte er in der Vergangenheit bereits eine Sicherung der EU-Außengrenzen und eine Obergrenze für Flüchtlinge.

Mit einem Interview in der "Stuttgarter Zeitung" brachte Palmer seine Partei nun wohl endgültig gegen sich auf. Mit Blick auf jenen Syrer, der in der baden-württembergischen Stadt Reutlingen eine Frau mit einem Dönermesser getötet und zwei weitere Menschen verletzte, forderte er, dass Gewalttätern ihr Asylrecht aberkennt werden soll. Dies müsste letztlich auch für Syrer gelten.

"Da Syrer nicht mehr in ihre Ankunftsländer zurückgeschickt werden, gibt es nur einen Weg – zurück ins Herkunftsland. (...) Es gibt auch in Syrien Gebiete, die nicht im Krieg sind. Wie erkläre ich denn der Familie eines Opfers, dass der Täter noch im Land ist, obwohl er so aggressiv war? Da ist die Antwort 'In Syrien ist es unsicher' wenig befriedigend."

Damit löste Palmer heftige Reaktionen in seiner Partei aus. Die Vorsitzende Simone Peter nannte die Aussagen "klassischen Palmer-Nonsens".

Volker Beck, Mitglied des grünen Parteivorstands, fragte: "Ob Palmer bereit wäre, ein Rückübernahmelager in Syrien an einem Ort seiner Wahl aufzubauen und zu leiten?"

Auf seinem Facebook-Account schreibt Palmer nun als Antwort auf seine Kritiker: "Straftäter abschieben ist erlaubt. Man muss nicht alles tun, was erlaubt ist. Aber man darf nicht fälschlich behaupten, was erlaubt ist, sei verboten."

Palmer bezieht sich damit auf Artikel 33.2 der Genfer Flüchtlingskonvention. In diesem Paragrafen heißt es in Bezug auf das im Absatz davor erläuterte Ausweisungsverbot: "Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde."

Der Tübinger Bürgermeister fordert eine Neubewertung in der Flüchtlingspolitik: "Das erinnert mich stark an meine Forderung vor einem halben Jahr, die EU-Außengrenzen wirksam zu sichern. Da hieß es auch, das gehe wegen Grundgesetz und Völkerrecht und in der Praxis nicht. Und heute? Alles Realität. Wir müssen auch bei Flüchtlingsthemen von der Realität ausgehen. Nicht von Wunschvorstellungen."

Im Prinzip ist Palmer mit seiner Haltung jedoch auf einer Linie mit seinem Ministerpräsidenten und Parteikollegen Winfried Kretschmann. Dieser hatte Anfang des Jahres gesagt, straffällige Zuwanderer hätten "ihr Bleiberecht verwirkt" und müssten das Land verlassen.

Streit auch bei der Linkspartei

Zuletzt hatte die Linken-Chefin Sahra Wagenknecht ihre eigene Partei gegen sich aufgebracht. Wagenknecht hatte nach den islamistischen Attentaten von Würzburg und Ansbach vor den Problemen durch die Aufnahme und Integration einer großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern gewarnt und Merkels Flüchtlingspolitik kritisiert und dafür empörte Reaktionen ihrer Parteifreunde erhalten. Kovorsitzender Dietmar Bartsch soll ihr gar "die dunkelgelbe Karte" gezeigt haben. Wagenknecht wehrte sich gegen die Kritiker und stellte fest: "Es ist nicht links, Probleme zu verschweigen." (Michael Vosatka, 9.8.2016)