Würzburg – Die Schilddrüse befindet sich am Hals unterhalb des Kehlkopfes. Die Hormondrüse, die aussieht wie ein Schmetterling, wirkt an vielen Funktionen im menschlichen Körpers mit. Sie beeinflusst etwa den Zucker-, Fett- und Eiweißhaushalt, regelt die Körpertemperatur, den Herzschlag und den Kreislauf. Beim Kinder steuert sie zudem die Entwicklung von Gehirn bzw. Nerven und das Knochenwachstum. Menschen, die von einer Schilddrüsenüberfunktion betroffen sind, berichten häufig von einem anhaltenden Unruhezustand, Gereiztheit, Schlaflosigkeit, einem unerklärlichen Gewichtsverlust, vermehrtem Schwitzen und einem erhöhten Puls.

Auslöser einer solchen Überfunktion sind in vielen Fällen meist gutartige Schilddrüsentumore, am häufigsten das sogenannte "autonome Adenom". "Wir wissen, dass Mutationen in zwei Genen für rund 70 Prozent aller autonomen Adenome verantwortlich sind", sagt Davide Calebiro vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Würzburg.

Unbekannt war bislang allerdings, ob diese Mutationen ausreichen, um Schilddrüsenzellen zu krankhaftem Wachstum und übermäßiger Hormonproduktion anzuregen. Unklar war auch, welche Faktoren an der Entstehung der übrigen 30 Prozent autonomer Adenome beteiligt sind.

Genetische Suche

Bei der Suche nach weiteren Krankheitsursachen wurde nun ein internationales Forscherteam fündig. "Wir haben für unsere Studie insgesamt 19 autonome Adenome mit Hilfe des ‚Whole-Exome-Sequencings‘ untersucht", beschreibt Studienleiter Davide Calebiro die Vorgehensweise. Mit dieser Technik wird nicht das komplette Erbgut der Zellen untersucht, sondern nur die sogenannten Exons der Gene. Das sind jene Abschnitte, die tatsächlich auch in Proteine umgeschrieben werden.

"Dabei konnten wir zeigen, dass ein bedeutender Prozentsatz dieser Adenome eine Mutation in einem Gen trägt, das in die Steuerung der Zellteilung und der Zelldifferenzierung involviert ist", so Calebiro. Demnach steht das sogenannte EZH1-Gen (Enhancer of Zeste Homolog 1) in einem engen Zusammenhang mit bereits bekannten Veränderungen anderer Gene, die ebenfalls für die Entstehung autonomer Adenome verantwortlich sind.

Genmutation führt zu vermehrter Zellteilung

Funktionelle Studien zeigten außerdem, dass Mutationen auf dem EZH1-Gen bestimmte Signalwege so verändern, dass sich Zellen der Schilddrüse vermehrt teilen."Wir konnten zeigen, dass eine Hot-Spot-Mutation in dem EZH1-Gen der zweithäufigste genetische Defekt in autonomen Adenomen ist", fasst Davide Calebiro das zentrale Ergebnis der nun im "Journal of Clinical Investigation" (JCI) veröffentlichten Studie zusammen.

Das gehäufte Auftreten zusammen mit anderen Mutationen spricht dem Forscher zufolge für ein "Two-Hit-Model", eine Zwei-Treffer-Hypothese. Demnach erhöht die erste Mutation die Veranlagung für die Entstehung von Tumoren, die zweite setzt dann den Prozess in Gang. (red, 9.8.2016)