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Der IceCube-Neutrinodetektor in der Antarktis ergab keinen Hinweis auf sterile Neutrinos. Dafür weisen Experimente in Japan auf eine Beteiligung der schwer fassbaren Teilchen an der Existenz des Universums hin.

Foto: REUTERS/Emanuel Jacobi/NSF

London – Dass wir und das restliche Universum um uns herum überhaupt existieren, stellt für Kosmologen immer noch ein ungelöstes Rätsel dar. Laut dem allgemein anerkannten Standardmodell der Physik sollte nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren exakt gleich viel Materie wie Antimaterie entstanden sein. Da beide nicht gut miteinander können und sich beim Zusammentreffen augenblicklich in einem Energieblitz auslöschen, muss es eine Art Ungleichgewichts gegeben haben.

Dieser Asymmetrie im Entstehungsprozess des Universums, die gewährleistet, dass es Galaxien, Sterne und Planeten aus herkömmlicher Materie gibt, sind Wissenschafter bisher noch nicht auf die Spur gekommen. Möglicherweise liefern aber nun aktuelle Neutrino-Untersuchungen die entscheidenden Hinweise.

Ungewöhnliche Geschmacksänderung

Neutrinos sind annähernd masselose Teilchen, die in drei sogenannten Geschmacksrichtungen daher kommen: muon, tau und electron. Auf der Reise durchs All können Neutrinos ihren Geschmack allerdings wechseln. Teilchenphysiker sprechen dabei von der sogenannten Neutrino-Oszillation. Diese laufen aber nicht immer gemäß der Theorie ab: Einige beobachtete Oszillationen lassen sich also nicht allein mit den drei bekannten Geschmacksrichtungen erklären, weshalb angenommen wurde, dass es eine vierte Variante gibt: sterile Neutrinos.

Die Existenz eines solchen Neutrinos ohne Fähigkeit zur Wechselwirkung mit herkömmlicher Materie würde zwar dem gängigen physikalischen Weltbild widersprechen, könnte dafür aber die Asymmetrie von Materie und Antimaterie erklären. Aktuelle, in den "Physical Review Letters" veröffentlichte Ergebnisse des IceCube-Neutrinodetektors in der Antarktis zeigen allerdings, dass es sterile Neutrinos eher nicht gibt.

Unterschiede zu Anti-Neutrinos

Trotzdem könnten Neutrinos den Schlüssel zur Erklärung des Kosmos liefern. Ein internationales Physikerteam um Yoshi Uchida vom Imperial College London hat am J-PARC-Forschungskomplex an der Pazifikküste östlich von Tokio beobachtet, dass nicht alle Neutrinos auf ihrer Reise durchs All gleichermaßen ihren Geschmack wechseln können: Das aktuelle T2K-Experiment wies nach, dass sich mehr muon-Neutrinos in electron-Neutrinos verwandeln, als dies bei Anti-Neutrinos der Fall ist.

Allein dieser Unterschied könnte nach Ansicht der beteiligten Wissenschafter gewährleistet haben, dass sich die Materie kurz nach dem Urknall nicht sofort in Strahlung auflöst. Wirklich signifikant ist das Ergebnis allerdings nicht. Wie Morgan Wascko, Sprecher des T2K-Experiments, berichtete, besteht eine Chance von immerhin 20:1, dass es sich bei den Ergebnissen um Datenartefakte handelt. Dessen ungeachtet ist die Aufregung über die Resultate groß. "Dies ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur Lösung eines der größten Rätsel des Universums", ist Wascko überzeugt. (tberg, 14.8.2016)