Knie, Hüften, Schulter: Die Gelenke beweglich und schmerzfrei halten, dabei spielt Bewegung eine wichtige Rolle. Im Bild die Yogaposition "Warrior" (Krieger).

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Petra Bracht/Roland Liebscher-Bracht: Fayo. Das Faszien-Yoga, 255 Seiten plus DVD, 22,60 Euro

Große Revolutionen beginnen meistens im Kopf. Und manchmal auch unter Schmerzen. Wer einen neuen Blick auf körpereigene Dynamik riskieren will, könnte sich das eben erschienene Buch "Fayo – das Faszienyoga" zu Gemüte führen. Aber Achtung: Es ist keine bloße Bewegungsanleitung, wie sie derzeit im Bereich der Gesundheitsbücher so en vogue ist, vielmehr breiten die Autoren ihre Sicht auf die Dynamik des menschlichen Körpers aus. Die eine oder andere Überraschung ist dabei sicher, mitunter könnte sich sogar Sichtweisen verändern – vor allem dann, wenn es um die Betrachtung von Schmerzen geht.

Zu den Autoren: Petra Bracht ist Medizinerin und Schmerztherapeutin und hat eine eigene Therapie namens LNB entwickelt. Auch ihr Mann ist ein Körpermensch. Er hat Wirtschaftsingenieurwesen studiert und ist Schmerzspezialist mit Schwerpunkt Ernährungs- und Entgiftungsmedizin, außerdem passionierter Kampfsportler und hat sich intensiv mit Bewegungsabläufen befasst.

Viel Wissen also: Auf den ersten 117 Seiten des Buches macht das Ehepaar Bracht ihre Sicht auf die Funktionsweise des menschlichen Körpers transparent. Sie tun das auf eine durchaus sympathische Art und Weise und geben auch ganz offen zu, wo sie immer wieder mit schulmedizinischen Überzeugungen kollidieren.

Was Bindegewebe kann

Allein der Fokus auf die Faszien tut es. Die akademischen Anatomen haben die Funktion des Bindegewebes lange Zeit unterschätzt, erst in letzter Zeit erkennt man die immense Wichtigkeit der Faszien, die eine Art stützendes Netzwerk im ganzen Körper bilden. Die Message dieses Buches: Unser Körper sendet Signale, die wir besser verstehen lernen sollten.

Leicht ist das keineswegs. Im menschlichen Körper gibt es 100 Gelenke, 600 Muskeln, 90 Billionen Zellen. Die Bewegungsmöglichkeiten sind schier unendlich. Sämtliche Elemente werden vom Gehirn aus koordiniert – Misslichkeiten im System selbst ausgeglichen. Schmerzen, so die These des Buches, entstehen dann, wenn dieser Ausgleich nicht mehr optimal stattfindet. Die Autoren orten 12 Haupt- und 15 Nebenengpässe im Körper, die den Großteil der Schmerzen verursachen. Ihr Vorschlag: Mit gezielten Übungen gegensteuern.

Kontroversiell ist deshalb auch die These, dass Schmerzen nicht aus heiterem Himmel kommen, sondern stets Ursachen haben, die in der Anatomie zum einen und in der Bewegungsarmut zum anderen begründet sind. Fayo-Yoga setzt an beiden Enden an und stellt ein umfassendes Programm dagegen vor.

Für Bewegung gemacht

Es besteht aus regelmäßigen Faszienmassagen mit harten Schaumstoffrollen, die das Bindegewebe geschmeidig halten. Aus einem Bewegungsprogramm, weil der menschliche Körper genau dafür (und nicht fürs Sitzen) gemacht ist. Und einem Ernährungsplan. Es sind keine willkürlichen Vorschläge, die Autoren veranschaulichen ihre Theorien, nutzen gerne die Macht der metaphorischen Bilder und bringen durch eine Reihe von anschaulichen Diagrammen Systematik in die Sache.

Das alles hat Hand und Fuß. Die Theorie, warum Arthrosen entstehen, ist einleuchtend, die für Bandscheibenvorfälle auch. Dass Hirn und Muskeln in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, ist sicherlich für jeden Schmerzpatienten hochinteressant.

Im letzten Drittel des Buches gibt es bebilderte Bewegungsanleitungen – allesamt einfache, für jeden machbare Übungen, die das Gleichgewicht im Muskel-Faszien-Nervensystem wieder herstellen. Und im besten Fall eine Alternative zu Schmerzmittel sein können. (Karin Pollack, 12.8.2016)