Nur die wenigsten Tierarten der Erde haben eine Lebenserwartung von 150 Jahren. Der Grönlandhai wird in diesem Alter erst geschlechtsreif...

Foto: Julius Nielsen

...und lebt dann noch rund 250 Jahre.

Foto: Julius Nielsen

Kopenhagen/Wien – Für verschiedene Insektenarten ist das Leben bereits nach ein paar Stunden wieder vorbei. In Sachen Langlebigkeit bei nicht in Kolonien lebenden Tieren hält eine Islandmuschel den Rekord: Das Weichtier mit dem Namen Ming wurde nachweislich 507 Jahre alt.

Wie alt aber können Wirbeltiere werden, also Säugetiere, Vögel, Reptilien, Lurche und Fische? Die Rekordhalter sind unter Wasser zu Hause: Als kurzlebigstes Wirbeltier gilt seit ein paar Jahren die Pygmäengrundel, die gerade einmal zwei Zentimeter lang wird und allerhöchstens zwei Monate alt werden kann. Und welche Tiere sind die Methusalems unter den Vertebraten?

Bei den Säugetieren gelten große Wale als besonders langlebig: Bei einigen Spezies ist eine Lebenserwartung von über hundert Jahren dokumentiert. Noch älter werden Riesenschildkröten mit einer Lebenserwartung von über 150 Jahren. Im Vergleich zum bisher wenig erforschten Grönlandhai sehen die alten Schildkröten nachgerade jung aus: Wie ein internationales Forscherteam nun im Fachblatt "Science" berichtet, dürfte die in den arktischen Meeren lebende Hai-Art mit 150 Jahren erst geschlechtsreif werden.

Auge verrät Alter

Dass die Grönland- oder Eishaie sehr alt werden können, vermuteten Meeresbiologen seit einiger Zeit: Messungen hatten ergeben, dass die Tiere extrem langsam wachsen, etwa einen Zentimeter pro Jahr. Und die größten Exemplare werden über fünf Meter lang. Neben den seltenen Sichtungen der Tiere gab es bei der Altersbestimmung aber noch ein anderes Problem: Haie sind Knorpeltiere und enthalten nur wenig Kalk. Aus diesem Grund errechnete man das Alter anhand von Proteinen in der Augenlinse, die schon im Mutterleib gebildet werden.

Die Forscher um Julius Nielsen (Uni Kopenhagen) untersuchten insgesamt 28 weibliche Haie, die bei mehreren Expeditionen gefangen worden waren. Die Tiere maßen zwischen 80 Zentimeter und gut fünf Meter. Ihr durchschnittliches Alter betrug 272 Jahre. Das größte untersuchte Exemplar war etwa 392 Jahre alt – bei einer Messunsicherheit von 120 Jahren.

Warum ausgerechnet Grönlandhaie so alt werden, ist nicht ganz klar: Die Größe der Tiere und auch die tiefen Meerestemperaturen wirken sich gewiss positiv aus, aber es gibt größere Haie und solche, die ebenfalls in arktischen Gewässern leben. Womöglich gibt auch der Name einen Hinweis – angesichts der Tatsache, dass große Hirne besonders viel Energie verbrauchen: Wissenschaftlich heißt der Grönlandhai jedenfalls Somniosus microcephalus. (Klaus Taschwer, 12.8.2016)