Feldkirch/Innsbruck – Um kurz nach halb sieben Uhr morgens spielten sich am Dienstag im Regionalzug von Feldkirch nach Bregenz dramatische Szenen ab. Ein 60-jähriger Deutscher soll plötzlich und ohne ersichtlichen Grund mit einem Messer auf einen 19-jährigen Vorarlberger losgegangen sein. Das Opfer erlitt durch die Attacke einen Bauchstich sowie Verletzungen am Rücken. Ebenso unvermittelt soll der Angreifer dann einen 17-Jährigen schwer am Hals verletzt haben. Laut Polizeiangaben könnte sich der offenbar verwirrte Mann von den Mobiltelefonen der Opfer bedroht gefühlt haben.

Über die Notruftaste im Zug verständigten andere Passagiere den Lokführer, der sofort die Polizei alarmierte. Die Zugsgarnitur hielt im nächstgelegenen Bahnhof Sulz-Röthis, wo eine zufällig anwesende Polizeistreife den mutmaßlichen Täter mit Hilfe eines Fahrgastes überwältigen und festnehmen konnte. Der Angreifer habe vehement Widerstand geleistet, hieß es, die Beamten setzten Pfefferspray ein. Der Helfer wurde bei dem Handgemenge leicht verletzt.

Terrorismus ausgeschlossen

Der Verdächtige ist laut Polizei unstet in Vorarlberg aufhältig gewesen. In seiner Heimat Deutschland soll er "polizeilich bekannt" sein. Nach Auskunft der deutschen Behörden habe er psychische Probleme und sei auch schon straffällig geworden. Ein fremdenfeindlicher oder terroristischer Zusammenhang wurde ausgeschlossen, es gebe keine Indizien für eine religiös motivierte Tat. Bei seiner Verhaftung soll der Mann Parolen wie "Scheiß Nazi-Österreich" und "Austrofaschisten" gerufen haben.

Serie von Attacken in Zügen

Die Attacke reiht sich ein in eine Serie gewalttätiger Zwischenfälle in Zügen. Nur zehn Kilometer entfernt hatte am vergangenen Samstag ein 27-Jähriger in einem Schweizer Regionalzug mit einem Messer und mit brennbarer Flüssigkeit Passagiere angegriffen und eine Frau getötet. Auch er selbst erlag später seinen durch das gelegte Feuer verursachten Verletzungen. Im Juli hatte ein Terrorist in einem Regionalzug nahe dem deutschen Würzburg fünf Menschen mit einer Axt zum Teil lebensgefährlich verletzt.

Seitens der ÖBB zeigt sich Pressesprecher Rene Zumtobel "geschockt und erschüttert". Er warnte aber davor, in Panik zu verfallen: "Bahnfahren ist sicher. Wir befördern rund 470 Millionen Fahrgäste pro Jahr und es gibt nur sehr wenige Vorfälle."

Videokameras in Zügen

Die ÖBB arbeitet eng mit der Polizei zusammen, um die Attacke restlos aufzuklären. Im betroffenen Talent-Regionalzug sind Videokameras installiert und die Aufzeichnungen wurden bereits den Ermittlern übergeben. "Wir haben alle Nahverkehrszüge, in denen kein Personal mehr Dienst tut außer dem Lokführer, mit Videoüberwachung ausgestattet", so Zumtobel. Es handle sich dabei um "reaktive Überwachung", das heißt die Bilder werden gespeichert und im Normalfall rasch wieder gelöscht.

Subjektives Sicherheitsgefühl

Zumtobel verweist darauf, dass es bei all den Vorkehrungen weniger um die objektive Sicherheit gehe, sondern um das subjektive Sicherheitsgefühl. Immerhin gelten Österreichs Bahnhöfe und Züge angesichts der hohen Personenfrequenz als ausgesprochen sichere Orte.

Um dieses Gefühl zu verstärken, sind derzeit österreichweit 210 Mitarbeiter im Einsatz. Sie zeigen Präsenz auf unbesetzten Bahnhöfen. Sicherheitspersonal, das in den Zügen mitfährt, gibt es ebenfalls bereits: "Auch hier geht es um Regionalzüge ohne Zugbegleiter." In der Praxis richtet sich dieser Einsatz meist gegen organisiertes Betteln, das immer wieder für Beschwerden sorgt. Angesichts des Vorfalls inVorarlberg seien vorerst keine weiteren Maßnahmen geplant. (Steffen Arora, 16.8.2016)