Artur Wechselberger wird bei der Ärztekammerwahl 2017 in Tirol erneut antreten – "mit relativer Sicherheit".

Foto: ÖÄK/Thomas Jantzen

Wien – Sich als Wahlarzt niederzulassen, galt vor zehn bis 15 Jahren für viele Mediziner als nötige Zwischenstation auf dem Weg zur Ordination mit Kassenvertrag. Konnte man Erfahrungen mit einer privaten Arztpraxis aufweisen, brachte das oft Punkte für die Bewerbung um eine Kassenstelle. Diese Zielsetzung existiere so nicht mehr, skizziert Artur Wechselberger, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), im STANDARD-Gespräch.

Kaum ein Arzt mit Privatordination wolle noch "auf Kasse" umsatteln. Wechselberger, auch Präsident der Tiroler Ärztekammer, kenne Wahlärzte, die mit Kassenvertrag finanziell schlechter aussteigen würden, "bei doppelt so vielen Patienten". Hinzu kämen weniger flexible Öffnungszeiten und ein "Korsett" administrativen Aufwands.

Aufregung um "Armutszeugnis"

Zuletzt hatte SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger vorgeschlagen, Geld, das Versicherungen derzeit Patienten für Wahlarztbesuche erstatten, besser für Innovationen und zusätzliche Kassenstellen auszugeben. Allerdings distanzierte sich die – ebenfalls rote – Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser von diesem Vorschlag. Die Ärztekammer zeigte sich aufgebracht. Patientenanwalt Gerald Bachinger nannte dann den "ärztekammerlichen Befund", dass für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung Wahlärzte notwendig seien, "ein Armutszeugnis für das öffentliche System".

"Die Ärztekammer bekennt sich zur sozialen Ärzteversorgung", sagt Wechselberger, zugleich dürfe aber die "Freiheit der Berufsausübung für Ärzte und Ärztinnen" – also das Wahlarztsystem – nicht beschränkt werden. Die Zahl der Wahlärzte steigt seit Jahren: 9.566 verzeichnete die Ärztekammer Ende 2015 – und 8.252 Ärzte mit Kassenvertrag (der Hauptverband kommt auf 6.640 Ärzte mit Kassenvertrag, zählt aber nur jene mit Vertrag bei "großen" Kassen, also Gebietskrankenkassen). Sie alle sind wichtige Wähler: 2017 stehen Kammerwahlen an. Wechselberger werde "mit relativer Sicherheit" in Tirol wieder antreten, "wenn die Kollegen mich aufstellen".

Will zusätzlich 1.400 Kassenstellen

Die Ärztekammer fordert auch 1.400 Kassenverträge zusätzlich im niedergelassenen Bereich. In einigen Regionen sind Nachbesetzungen aber schon jetzt schwierig. Es brauche Maßnahmen, um Begeisterung für das Kassenvertragsärztesystem zu entfachen, meint Wechselberger. Man müsse zur Zusammenarbeit motivieren und jenen, die abends oder am Wochenende offenhalten, Benefits geben. Daraus resultierende Kosten kämen langfristig wieder herein, da Ambulanzen entlastet würden. Gespart werden könne im Gesundheitsbereich in der Administration.

Viel Versorgung hätten Spitalsambulanzen bisher aufgefangen, "aber die sind jetzt an einem Punkt, wo sie das nicht mehr können. Das hat jeder erkannt." Zur Abstimmung der Ärzte des Wiener Krankenanstaltenverbunds über einen möglichen Streik wegen der Reduktion von Nachtdiensträdern will sich Wechselberger nicht äußern.

Er sieht auch für das Betreiben der Primärversorgungszentren (PHC), die Spitäler entlasten sollen, einen Mangel positiver Anreize für Ärzte. Noch fehlt auch die gesetzliche Grundlage für PHC: Die – zähen – Verhandlungen zwischen Ärzten und Hauptverband der Sozialversicherungsträger zum PHC-Gesetz laufen noch. (Gudrun Springer, 19.8.2016)