Johanna Ruzicka: Bad Sauerbrunn, Althofen

Wenn jemand zu mir sagt, er sei auf Kur gewesen und das sei uranstrengend gewesen, kann ich nur müde lächeln. Ich war auf Reha, und zwar gleich zweimal, ziemlich hintereinander. Und Rehabilitationen verhalten sich zur Kur wie das große zum kleinen Glücksspiel. Da geht es darum, aus einer Krankheit wieder aufzustehen wie Phönix aus der Asche, hoffentlich. Bei einer Reha ist nichts weich oder soft.

Nach der gängigen österreichischen Lesart, also so, wie es die zuständigen Pensionsversicherungsanstalten definieren, haben Kuren prophylaktischen Charakter. Rehas jedoch sollen einen rausziehen aus einer Krankheit hin zu einem Zustand, der möglichst dem ähnlich ist, wie er vor der Krankheit bestanden hat. Das zu erreichen kann harte Arbeit sein – besonders für denjenigen, der in den Genuss der Reha kommt.

Zu Begleiterscheinungen, die bei Kuren gerne angeführt werden und vielfach zum positiven Kurverlauf beitragen, kommt es erst gar nicht. Kurschatten? Keine Zeit. Interessante Gespräche? Besser nicht! Viele Gäste kennen kein anderes Gesprächsthema mehr als ihre traurige Krankheitsgeschichte. Denn die Gründe, weshalb man kommt, können sein: Krebs, große orthopädische Operationen, Herzinfarkte.

Kuren sind also was für Weicheier, Rehabs sind nach Schicksalsschlägen. Es ist so, wie es Amy Winehouse singt: "They tried to make me go to rehab. I said no, no, no." Hätte sie es nur gemacht! Sie hätte dann vielleicht Zeit gehabt, uns noch ein paar so schöne Liedzeilen zu bescheren.

Foto: Matthias Cremer

Christoph Winder: Alland, Wienerwald

Redaktionshektik, Zeitdruck, eine Deadline nach der nächsten: Der Journalistenjob ist hart und groß die Versuchung, den Stress mit vielen festen und flüssigen Kalorien zu kompensieren. Der Lohn dafür ist eine fette Zuwaage um die Leibesmitte und ein sorgender Blick des ärztlichen Vertrauensmannes, der eine Kur in Alland empfiehlt.

Das Rehab-Zentrum in Alland war einst eine Lungenheilanstalt und erinnert an eine freundlichere Variante des Overlook-Hotels in Kubricks Shining. Es ist sehr weitläufig. Um vom Zimmer zur Aquagymnastik, der Aquagymnastik zur Ambulanz und der Ambulanz ins Zimmer zurückzukommen, legt man Strecken zurück, die sich in drei Wochen auf die Länge des Jakobswegs summieren.

Von den Wanderungen in Alland und um Alland herum haben wir da noch gar nicht geredet. Ärztlich ist dieses fettzehrende Bewegungspensum natürlich erwünscht. Und nicht nur die Bewegung ist fettzehrend. Der Kurarzt hat mir Schmalhans als Küchenmeister verordnet (1100 kcal pro Tag). Dass es die Köche und das freundliche Servierpersonal schaffen, diesen Bettel an Nahrung als ausreichend erscheinen zu lassen, ist ein Wunder.

Ich zähle nicht zu den Kurgästen, die die Ärzte überlisten wollen, indem sie abends heimlich auf Fressorgien und Sauftouren gehen. Der Ertrag meiner Compliance: achteinhalb Kilo minus und ziemlich pipifeine Blutwerte – und eine große Wertschätzung für ein Kurwesen, das international doch seinesgleichen sucht.

Foto: Matthias Cremer

Jutta Berger: Kurzentrum Althofen

Und, Kurschatten? Das war eine der häufigsten Fragen, die mir nach meiner Kur gestellt wurden. Ich hatte andere Sorgen. Gleich mehrere Schatten lagen über meinen drei Wochen, die ich den Spätfolgen nach einer Sprunggelenksfraktur verdanke. In Stichworten geraunzt: Massenabfertigung im Eiltempo, kein individuelles Therapieprogramm, Essen wie im Dorfgasthaus.

Therapieeinheiten dauerten im Schnitt 15 Minuten. Zukauf? "Geht leider nicht." Am beliebtesten bei Anstalt und Kassen ist die Elektrotherapie. Strom für die Füße, die Schulter, die Hüfte, die Arme, für die Bierwölbung wahrscheinlich auch. Die konnte sich dann in den umliegenden Buschenschanken oder in der Anstaltsgastronomie wieder erholen.

Einschränkung: Alkohol gibt es dort erst (!) ab elf Uhr. Paradiesisch hingegen das Menüangebot. Fleisch zweimal täglich, Gebackenes und Sahnekuchen gehören zum Standardrepertoire der Küche. "Das wollen die Gäste", sagt mir der Kurarzt. Der einstündige Vortrag der Diätologin ist nur Pflicht für die Gäste.

Kurschatten betreffend habe ich einiges gelernt: "Dea und dea do", wies mein kurerfahrenes Gegenüber dezent mit der Gabel auf Nachbartische, "dea is hinta jeda her." Der zweite Tischnachbar (ich durfte drei Wochen lang mit fünf Herren speisen): "Gestan homs des Schwimmbod auslossn miassn." Wegen Kontamination mit Körpersäften, erfuhr ich. "Des wird teia." Wer erwischt wird, müsse heimfahren und die Kur bezahlen. Fazit der Herren: "Deppat, wenn d' Frau die Rechnung find't."

Foto: privat

Sigi Lützow: Felbring, Hohe Wand

Alles aus? Mitnichten! Wer einen Herzinfarkt überlebt hat, für den fängt alles an. So das tatsächlich als Warnung, vielleicht schon als letzte, verstanden wird. In der Sonderkrankenanstalt Felbring, idyllisch am Fuß der Hohen Wand gelegen, wird dieses Verständnis tunlichst gefördert.

Den gebotenen Ernst brechen die Patienten maximal selbst – etwa anlässlich ihrer Einteilung in mehrere Leistungsgruppen für körperliche Ertüchtigung, deren letzte im Anstaltsklatsch als "Leichenzug" firmiert. Den bilden die Unglücklichen, deren Zustand maximal eine Spazierrunde um das Hauptgebäude zulässt.

Der begleitende Zivildiener mit Defi im Rucksack ist aber auch für die Gruppen der in Abstufungen weniger Unglücklichen obligatorisch. Und selbst die quasi elitärste Rehabilitandengruppe, der ich angehörte, geht keine Wege, die nicht auch ein Rettungswagen befahren könnte.

Verordnetes Spazieren ist natürlich nur ein Teil des sehr individuell zugeschnittenen Programms. Vier Bewegungseinheiten täglich, dazu Vorträge, Kochkurs, Entspannungsschulung und, ganz wichtig, bewusstes Essen. Im speziellen Fall zwar Low-Carb und auch sonst karg, aber aufgrund der Felbringer Küchenleistung trotzdem ein Vergnügen. Auf angenehmere Weise lässt sich ein Dutzend Kilo kaum verlieren.

Strenge Anwesenheitsregeln (kein Heimschläfer) und die relative Abgeschiedenheit der Anstalt erleichtern die Konsequenz. So gesehen, war das herzstärkende Achterl Rot zur Halbzeit besonders gesund – ich ging dafür meilenweit. (CURE, 27.11.2016)

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Foto: Heidi Seywald