Das Genussachterl ist weit verbreitet. Gesund ist es nicht, wie zwei Studien nahelegen. Ungesund dürfte es aber auch nicht sein.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Es klang zu schön, um wahr zu sein: Lange Zeit hieß es, dass das tägliche Achterl Rotwein gut für das Herz ist. Nun folgt die Ernüchterung: "Neue Studien kommen zum Ergebnis, dass niedriger bis moderater Alkoholkonsum offenbar doch keine herz- und gefäßschützende Funktion hat", sagt Franz Weidinger von der Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien.

So konnten in der über 20 Jahre laufenden "Danish Nurses Cohort Study" mit fast 19.000 Krankenschwestern – nach der Bereinigung um Gesundheits-, Lebensstil- und psychosoziale Faktoren – keine Hinweise auf einen signifikanten Zusammenhang zwischen niedrigem oder moderatem Alkoholkonsum und einer Reduktion der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit gefunden werden.

Gesamt-Plaque-Volumen ändert sich nicht

In eine Studie aus Israel und den USA wurde der Einfluss moderaten Alkoholkonsums auf das Fortschreiten der Atherosklerose der Halsschlagader (Carotis) bei Patienten mit gut kontrolliertem Diabetes Typ 2, die ansonsten keinen Alkohol zu sich nahmen, untersucht. Während der zweijährigen Untersuchungsdauer wurden die Probanden in drei Gruppen aufgeteilt und erhielten täglich entweder 150 Milliliter Mineralwasser, Weißwein oder Rotwein.

Alle Studienteilnehmer unterzogen sich zusätzlich einer mediterranen Diät ohne Beschränkung der Kalorienzahl. Zu Studienbeginn und nach zwei Jahren wurden das Gesamt-Plaque-Volumen der Halsschlagader und das Gefäßwandvolumen von 174 Patienten mittels 3D-Ultraschall gemessen. Das Ergebnis: Bei der Erstuntersuchung wurden bei 55 Prozent der Teilnehmer Plaque in der Halsschlagader gefunden. Das durchschnittliche Gesamt-Plaque-Volumen veränderte sich während der zwei Jahre aber in keiner der drei Gruppen.

"Wir konnten in unserer zweijährigen Studie keine signifikante Wirkung des Weinkonsums auf die Gesamt-Plaque-Volumen der Halsschlagader oder das Gefäßwand-Volumen in der Gesamtgruppe feststellen", so die Studienautoren. Ein kleiner Hoffnungsschimmer für Weinliebhaber: Es gab einen schwachen Hinweis auf eine etwas stärkere Verringerung des Gesamt-Plaque-Volumens der Halsschlagader durch Weinkonsum. Allerdings nur bei jenen Patienten, die zu Studienbeginn das größte Plaque-Volumen aufgewiesen hatten.

Herzgesundheit kein Freibrief für Alkoholkonsum

"Die Datenlage ist nach wie vor widersprüchlich. Es lässt sich weder eine günstige noch eine ungünstige Wirkung maßvollen Weintrinkens auf die Herzgesundheit zweifelsfrei belegen. Ungeklärt sind auch die oft behaupteten Mechanismen eines möglichen Herzschutzes, die manchmal auf den Alkohol selbst, dann wieder zum Bespiel auf sekundäre Pflanzeninhaltstoffe der Trauben zurückgeführt werden. Wer also für seine Herz- und Gefäßgesundheit etwas Positives tun möchte, braucht dafür keinen Alkohol zu trinken", resümiert Weidinger. (red, 30.8.2016)