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Apple spürt Gegenwind, nicht nur beim Verkauf von iPhones (im Bild letzte Arbeiten vor der Eröffnung eines neuen Apple Store in der chinesischen Stadt Hangzhou), sondern auch in Steuerangelegenheiten. Die Zeiten des großflächigen Steuersparens scheinen vorbei zu sein.

Foto: Reuters / Chance Chan

Wien – Die Steuersparmodelle von Apple haben in den vergangenen Jahren zu mehreren Anhörungen im US-Kongress in Washington geführt. Immer wieder wollten die Abgeordneten von Apple-Managern wissen, wie die Strategie des kalifornischen Technologiekonzerns funktioniert. Ein Satz des demokratischen Senators Carl Levin blieb Beobachtern in Erinnerung. Überrascht und empört darüber, wie Apple mithilfe seines Firmennetzwerkes in Irland Steuern in Milliardenhöhe sparte, sagte Levin einmal, Apple habe "den heiligen Gral der Steuervermeidung gesucht und gefunden".

Das war 2013. Die Erkenntnisse der von Levin geführten Untersuchung haben die EU-Kommission dazu veranlasst, sich Apples Modell in Irland selbst anzusehen. Am Dienstag präsentierte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in Brüssel die Ergebnisse dieser Untersuchung.

Widerrechtliche Absprachen

Apple hat laut Kommission jahrelang zu Unrecht von Absprachen mit der irischen Regierung profitiert. Der Konzern muss 13 Milliarden Euro an Steuern nachzahlen. Das ist die höchste Nachzahlung, zu der ein Konzern in Europa je verdonnert wurde.

Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig, sowohl die irische Regierung als auch Apple wollen Einspruch einlegen, in welchem Fall der Europäische Gerichtshof am Zug wäre. Die Kommission wirft Irland und Apple konkret vor, mit zwei Absprachen aus den Jahren 1991 und 2006 gegen EU-Recht verstoßen zu haben. Mithilfe der Vereinbarungen ließ sich Apple seine firmenrechtlichen Konstruktionen von der Steuerbehörde in Dublin genehmigen. Solche Vorab-Genehmigungen einzuholen ist international üblich, auch in Österreich. Doch die Konditionen für Apple waren so günstig, dass der Konzern fast gar keine Steuern bezahlen musste.

iPhone-Kauf in China

Die Kommission konzentrierte ihre Erhebungen auf zwei Gesellschaften, die Apple Sales International (ASI) und die Apple Operations Europe. Vor allem ASI spielte eine wichtige Rolle: Sie kaufte iPhones, Tablets und Computer von Herstellern in China und verkaufte die Produkte in Europa, dem Nahen Osten und Indien. Erwirbt jemand in Österreich ein iPhone, landet der Kaufpreis bei ASI. Die Gesellschaft erzielte 2011 einen Gewinn in Höhe von 16 Milliarden Euro, versteuerte aber laut Kommission bloß Einnahmen von 50 Millionen Euro. Der effektive Steuersatz soll bei 0,05 Prozent gelegen sein, bis 2014 sank er gar auf 0,005 Prozent. Damit hat Apple seine Steuerlast selbst dann noch agressiv gedrückt, als in den USA der Anhörungsreigen vor dem Kongress begonnen hatte.

Um den Spotttarif zu erreichen, setzte Apple auf einen Unterschied zwischen dem irischen und dem US-amerikanischen Steuerrecht. In Irland galt bis 2013, dass registrierte Unternehmen ihre Gewinne nur versteuern müssen, wenn die Konzernleitung im Land ihren Sitz hatte. Das war nicht der Fall. ASI übertrug seine Gewinne auf eine andere irische Gesellschaft ("head office"), die auf der Insel keine Beschäftigten und keine Büroräume hatte. Im US-Steuerrecht wurde diese Gesellschaft ebenfalls nicht erfasst, denn dort gilt, dass eine Gesellschaft im Inland registriert sein muss. ASI hat nirgendwo auf der Welt einen Sitz.

Zudem durfte Apple großzügig konzerninterne Ausgaben vom Gewinn abziehen. ASI bezahlte Lizenzgebühren an Apple in den USA für die Nutzung von Patenten. Das ist international nicht unüblich, die Industriestaatenorganisation OECD schreibt vor, wie die Preise zu berechnen sind.

Großzügige Abzüge

Daran haben sich Irland und Apple nicht gehalten. Dem Konzern wurden Abzüge gewährt, ohne dass dafür eine Basis gegeben war. Die Iren rechtfertigen die Rabatte mit der Schaffung von Arbeitsplätzen. Apple werde seine Gewinne in den Ausbau der Niederlassung in Cork investieren, hieß es in einem internen Dokument.

Der Entscheid der Kommission dürfte für Spannungen sorgen. In der vergangenen Woche hat das US-Finanzministerium eine Warnung veröffentlicht. Darin heißt es, die Kommission verstoße gegen internationale Prinzipien, wenn man Steuern von Konzernen nachverlangt. Firmen wie Apple hätten sich auf bestehende Vereinbarungen verlassen. Auch am Dienstag kam Kritik: Die Nachzahlung könnte Investoren in Europa abschrecken, sagte ein Sprecher des Ministeriums.

Angst vor Steuertransfer

Die Entscheidung könne zu einem Steuertransfer von den USA nach Europa führen, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, am Dienstag. Wenn Apple in Irland 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen müsse, könne das Unternehmen diese Zahlung möglicherweise von der Steuerlast in den USA absetzen. Es gebe gemeinsame Versuche der USA und der Europäer, die internationale Besteuerung fair zu gestalten. Diese Versuche würden durch "einseitige Ansätze" untergraben.

EU-Kommissarin Vestager sagte, es sei möglich, dass die 13 Milliarden Euro nicht nur Irland zustehen. Sie ermutigte andere Länder, etwa im Nahen Osten, zu prüfen, ob man keine Ansprüche gegen Apple habe. Diese Ermutigung und die Höhe der Nachzahlung bezeichnete Markus Meinzer vom Tax Justice Network als "bemerkenswert". Die Forderung der EU gegen Apple komme nah an das heran, was der Konzern tatsächlich an Steuern hätte bezahlen müssen. (András Szigetvari, 30.8.2016)