Foto: GT Sport

Als Polyphony Digital nach Jahren des Stillschweigens im vergangenen Mai den jüngsten Sprössling seiner Rennspielserie "Gran Turismo" ankündigte, überraschte vor allem eine Nachricht: Das "GT Sport" getaufte Rennspiel mit E-Sport-Fokus werde bereits im November erscheinen. Davor sollen sich Spieler noch über einen Betatest ein Bild von dem Racer machen können.

Überraschend war dies deshalb, weil Sonys japanische Rennspielschmiede und einst Aushängeschild der hauseigenen Entwicklungsstudios, spätestens seit der PS3-Generation und "Gran Turismo 5" dafür bekannt ist, seine geduldig wartenden Fans ein ums andere Mal zu enttäuschen.

Enttäuschung vorprogrammiert

Wenigstens in dieser Hinsicht bleibt das Team um den egozentrischen Serienschöpfer Kazunori Yamauchi konsequent: Nachdem zunächst der Betatest abgeblasen wurde, um angeblich den Release-Termin einhalten zu können, wurde nun auch die Veröffentlichung des fertigen Spiels verschoben. Und zwar nicht um ein paar Wochen, sondern auf unbestimmte Zeit 2017.

"Ich muss euch heute mitteilen, dass wir nach langen Beratungen zu dem schwierigen Entschluss gekommen sind, die Veröffentlichung von 'Gran Turismo Sport' auf 2017 zu verschieben. 'GT Sport' ist Polyphonys erster Titel, der sich vor allem auf den Wettbewerb konzentriert, und die Erwartungen sind extrem hoch – sowohl von den Fans als auch vom Team selbst", schreibt Yamauchi in einem Blogeintrag. Man brauche mehr Zeit für die Technik, die Optimierung, das Gameplay.

Überholt

Dabei ist die Verschiebung eines Release-Termins an sich keine negative Nachricht für Fans, wenn die zusätzliche Zeit und die zusätzlichen Ressourcen tatsächlich zur Perfektionierung eines Werks genutzt werden. Doch spätestens seit dem Veröffentlichungszirkus um ein letztendlich gigantisches, aber unausgereiftes "GT5" für PS3, muss man sich allmählich die Frage stellen, ob bei Polyphony Digital etwas systematisch schief läuft.

Während Yamauchis Team ein erneut dem Konsolenzyklus hinterherläuft, sind auf der PS4 bereits mehrere starke Rennspiele wie "Project Cars", "Assetto Corsa" oder auch Sonys hauseigenes "Driveclub" erschienen. Gleichzeitig hat Microsofts ehemalige Xbox-Verfolgerserie "Forza" das große "Gran Turismo" mit jährlichen (!) Ablegern längst nicht nur quantitativ überholt. Zudem ist es gelungen, das Franchise mit Simulationen und Arcade-Racern inhaltlich zu diversifizieren, während "GT" jetzt gerade die Online-Welt für sich entdeckt.

Video: Gameplay-Montage zu "GT Sport"
WIRSPIELEN

Ein Traum zerbröselt

Dahinter stehen gewiss andere Philosophien. Man würde auch einem Rockstar Games nicht vorhalten, "zu lange" für ein neues "Grand Theft Auto" zu brauchen. Allein der Name ist eine Hit-Garantie. Doch eine derart unantastbare Reputation hat Polyphony bei seiner über die Jahre schrumpfenden Anhängerschaft schon länger nicht mehr. Nicht gehaltene Versprechen (Motorensounds! Schadensmodell!) haben brav dazu beigetragen. Gleichzeitig haben Rennspiele per se nicht mehr jenen Stellenwert, wie einst zu PS2-Zeiten, als ein "GT" gerne mal 15 Millionen Stück verkaufen konnte.

All dies führt unweigerlich zu der Frage, wie lange Sony noch dabei zusehen wird, wie ein Stützpfeiler des PlayStation-Universums zu zerbröckeln droht. Das Flaggschiff zweier Konsolengenerationen (PS1 und PS2) ist 2016 mit neuerlichen Entwicklungsproblemen nur noch ein Schatten seiner selbst. Vielleicht wäre es an der Zeit, neue Talente mit einem unverbrauchten Sinn für Deadlines und die eigenen Fähigkeiten an "Gran Turismo" heranzulassen oder die Serie gar an ein anderes Studio auszulagern. Bei aller vernarrter Genialität scheint Schöpfer Yamauchi die Kontrolle über sein bestes Gefährt verloren zu haben. Die Hoffnung, mich in diesem Punkt zu täuschen und irgendwann dann ein wirklich revolutionäres Racing-Erlebnis serviert zu bekommen, schwindet jedenfalls zunehmend dahin. (Zsolt Wilhelm, 31.8.2016)