Ingeborg Strobls "Vase (Kalbsfuß, Knochen, Nuss)", 1973).

Foto: Manfred Thumberger

Linz – Oh! Haserln! Eine ganze Vitrine voll herziger Löffelträgerfiguren fängt den Blick, wenn man die Personale der Künstlerin Ingeborg Strobl im Lentos betritt. Oster- und Comichasen, gehäkelte und solche aus Keramik; ein Mumien-Hasi aus Plastik ist auch dabei. Man bestaunt ein kleines Panorama des Kitschs.

Aber: Oh Schreck! Erst der zweite Blick fällt auf den Sockel der Vitrine. Er ist mit einer wenig kinderzimmertauglichen Tapete verkleidet, die ein gehäutetes Kaninchen auf Asphalt zeigt. Die nackte Wahrheit von Fleisch und Blut unter all der süßlichen Verklärung und Überhöhung – fast hätte man sie übersehen, obwohl sie einem vor der Nase lag.

Nun sollte man sich vom gar unzweideutigen Begrüßungsstück in Strobls schöner Schau nicht abschrecken lassen. Dahinter geht es im Großen und Ganzen subtiler weiter. Die Gegensätze von Natur und Kultur, Körper und Geist, Tier und Mensch bleiben indes als wesentliches Thema präsent.

So wird man einen mit mathematischen Formeln bedruckten Tierknochen entdecken, aber auch ein Trinkgefäß aus Keramik, das dem Unterkiefer eines Tieres nachempfunden ist. In einer Grafik umspielen einige Dinosaurierskelette ein Auto.

"Tier – Ich bin du"

Mit Verve und Witz kontrastiert die 1949 geborene Künstlerin das Menschengemachte mit dem bloß Gewordenen. Sie stellt Hervorbringungen der Zivilisation der allem zugrundeliegenden Natur gegenüber, zeigt dem vermeintlich höher Entwickelten seinen Ursprung. Die in einer Grafik zu lesenden Worte "Tier – Ich bin du" legen dabei nahe, mit welcher Seite die Künstlerin sich solidarisiert.

Das Tier im Menschen fest im Blick, ist Strobls Arbeitsweise dann vor allem das Staunen über die moderne Gesellschaft. Etwa über als Engel oder Bären verkleidete Werbeträger in einem Einkaufszentrum. Aber auch in Form von Postkarten, kitschigen Souvenirs, ausgeschnittenen Zeitungsschlagzeilen oder persönlichen fotografischen Beobachtungen pickt sie zielsicher Absurditäten der Lebenswelt aus ihrem Kontext – um sie zu kleinen kulturkritischen Statements neu zusammenzusetzen.

In Linz erschließt man Strobls OEuvre dabei nicht chronologisch. Die Künstlerin entschied sich vielmehr, ihre seit den 1970er-Jahren entstandenen Collagen, Fotografien, Grafiken, Aquarelle nach Themen zu ordnen. In einzelnen Vitrinen zu Schlagworten wie "Gewalt" oder "Wirtschaft", aber auch "Natur" und "Poesie" kontextualisiert sie also auch ihre eigenen Arbeiten neu.

Kluge Beobachterin

Erinnert wird freilich auch an Strobls Mitgliedschaft in der Wiener Künstlerinnengruppe "Die Damen" von 1988 bis 1992. Zu sehen ist das berühmte Foto Die vier neuen Mitglieder des Ersten Wiener Männergesangsvereins (1988), auf dem Strobl zusammen mit Birgit Jürgenssen, Evelyne Egerer und Ona B. machistische Posen und Blicke ironisiert. Tatsächlich war die Inszenierung der eigenen Person allerdings Strobls Sache nie. Mehr ist sie die geduldige, kluge Beobachterin.

Der kontrastierende Blick bestimmt auch Strobls Videos: In Hochwasser (2013) etwa unterlegt sie Aufnahmen von Schlammmassen mit dem Donauwalzer. Ausgehend von dokumentarischem Material braucht sie dabei oft nur kleine schnitttechnische Maßnahmen für große Statements: Das Video Am Morgen (2012) zeigt einen Mann mit Hund bei seinen Morgenübungen am Meer. Es endet allerdings nicht – wie man erwarten könnte -, als der Mann seine Morgengymnastik abgeschlossen hat, sondern als der Hund das Bild verlässt. Beim Fade-out ist der Mensch noch mitten in seiner Gymnastik. (Roman Gerold, 31.8.2016)