Video-Stellungnahme von Abu Dhar al-Barmi, auch als Abu Dhar Azzam bekannt.

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Kabul – Neues Ungemach für den "Islamischen Staat" (IS) – diesmal allerdings aus den eigenen Reihen. Abu Dhar al-Barmi, der Mufti der Islamischen Bewegung Usbekistans, der sich 2014 in die sogenannte "Khorasan-Provinz", dem Ableger der IS in Afghanistan, abgesetzt hat, hat sich nun von diesem öffentlich losgesagt. In einem Video, das diese Woche online veröffentlicht wurde, sagte er, dass er zu jenen gehörte, "die beeinflusst wurden", nachdem Abu Bakr al-Baghdadi das Kalifat des IS ausgerufen hatte.

"Doch nach einem Jahr habe ich von all den bösen Handlungen dieser Gruppe, ihren Morden an Muslimen ohne Beweise und ihre Fatwas gegen jene, die sich ihnen nicht angeschlossen haben, erfahren", sagte al-Barmi in der Videobotschaft. Besonders empört sich al-Barmi darüber, dass der IS die Taliban als amerikanische Agenten gebrandmarkt habe.

Entschuldigung

Al-Barmi entschuldigt sich auch dafür, nicht früher gesprochen zu haben. "Mein erster Fehler war, sie zu unterstützen. Mein zweiter Fehler war, dass ich zugewartet habe, die Ummah (Gemeinschaft, Anm.) über die Wahrheit zu informieren!", sagte der Mufti.

Al-Barmi ruft "unsere Brüder, die aus Zentralasien kamen", dazu auf, den "Islamischen Staat" in Khorasan abzulehnen. Gemeint ist damit eine Gruppe von Kämpfern der Islamischen Bewegung Usbekistans, die ihrem damaligen Emir, Usman Ghazi, folgten und sich dem "Islamischen Staat" in Afghanistan im August 2015 anschlossen.

Jihad

Die Khorasan-Provinz des IS wurde von ehemaligen afghanischen und pakistanischen Taliban-Kommandeuren gegründet, steht aber in offener Konfrontation mit den verbliebenen Taliban. Von den großen Plänen in Hinsicht auf die Khorasan-Provinz in Zentralasien ist allerdings nicht mehr viel übriggeblieben. Sowohl afghanische und westliche Streitkräfte als auch Taliban bekämpfen die Gruppe, die nur mehr ein kleines Rückzugsgebiet in der östlichen afghanischen Provinz Nangarhar hat.

Die Verurteilung des IS durch al-Barmi bedeutet aber nicht, dass er dem Jihad abgeschworen hat – im Gegenteil. In dem Video ruft der Mufti seine Anhänger dazu auf, sich Gruppen, die "den wahren und korrekten Methoden folgen und den Jihad ausführen" anzuschließen.

Überläufer

Al-Barmi ist der vorläufig letzte in einer ganzen Reihe bedeutender Persönlichkeiten, die den afghanischen Ableger des IS öffentlich kritisieren. Erst im Juli verurteilte der ehemalige Guantánamo-Bay-Insasse Abdul Rahim Muslim Dost, der ein Sprecher und Anwerber für die Khorasan-Provinz war, den "Islamischen Staat" für seine sinnlose Gewalt. Im April sagte sich sogar der eigene Zentralrat vom "Islamischen Staat" los und schloss sich den Taliban an. (Stefan Binder, 2.9.2016)