Die Nullzins wird zusehends zur Belastung für die Finanzbranche und die Anleger. Bei Lebensversicherungen ist eine garantierte Rendite kaum mehr auszumachen.

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Alpbach – Die Niedrigzinsen werden Anleger und Finanzbranche noch länger und heftiger strapazieren. Banken müssen ihre Ertragserwartungen zurückschrauben, Versicherungen können zumindest im Neugeschäft kaum mehr Renditen erzielen. Das merken die ohnehin leidgeprüften Kunden immer stärker. Letzter Höhepunkt im Zinsenstriptease: Die FMA halbiert den Garantiezinssatz auf Lebensversicherungen mit Beginn 2017 auf 0,5 Prozent. Eine Verordnung der Aufsicht werde demnächst veröffentlicht, hieß es in Alpbach vonseiten der Branche.

Die Versicherer hätten sich mit der Maßnahme gerne noch Zeit gelassen und die Halbierung erst ein halbes oder ein Jahr später vorgenommen. Doch die Aufsicht beharrte wegen der nachhaltigen Zinsebbe auf dem Schritt, wie zu hören ist. FMA-Vorstand Klaus Kumpfmüller bestätigte zwar die baldige Kundmachung, wollte sich inhaltlich aber nicht dazu äußern. Der Garantiezins gilt für Neuverträge und stellt für die Branche einen wichtigen Marketingfaktor dar. Sie wollte mit einer späteren Absenkung offenbar noch die Verkaufsmaschinerie anwerfen. Allerdings haben einige Assekuranzen bereits darauf verzichtet, einen Garantiezins anzubieten.

Für die FMA dürfte die Maßnahme aus Vorsichtsgründen wichtig sein. Die Aufsicht will verhindern, dass sich die Versicherungen mit zu hohen Versprechungen übernehmen. Dahingehend hat sie der Branche auch schon andere mit den Niedrigzinsen zusammenhängende Auflagen gemacht. So müssen die Assekuranzen bis zum Jahr 2022 zwei Milliarden an Rückstellungen dotieren, um die Probleme auch bei Altverträgen abzudecken. Noch bis Ende 2000 lag der Garantiezinssatz bei vier Prozent, doch lassen sich derartige Renditen längst nicht mehr verdienen. Von den zwei Milliarden haben die Versicherungen laut Kumpfmüller bereits 600 Millionen angesammelt. Wenn die Nullzinsen zehn Jahre anhielten, müssten die Rückstellungen noch einmal erhöht werden, meint das FMA-Vorstandsmitglied im Gespräch mit dem Standard. Auch die Banken haben mit der Entwicklung zu kämpfen. Die Ertragserwartungen der Institute müssten wegen des anhaltenden Niedrigzinsumfelds angepasst werden.

Spielraum im Zahlungsverkehr

Kumpfmüller rät dem Sektor, den neuen Lücken mit Kostensenkung zu begegnen. Insbesondere bei der Abwicklung und im Zahlungsverkehr gebe es hier noch viel Spielraum. "Banken sollten künftig im Hintergrund mehr gemeinsam machen", lautet seine Stoßrichtung. Gegenüber dem Kunden müsse das gar nicht sichtbar werden. Bisher sei der Kreditapparat bei sektorübergreifenden Lösungen "nicht sehr innovativ" gewesen, lässt Kumpfmüller eine Portion Skepsis anklingen.

Für Notenbankdirektor Andreas Ittner ist in Europa mit einer umfassenden Marktbereinigung bei den Banken zu rechnen. "Der notwendige Strukturwandel steht noch aus." Die Kosten der Institute lägen deutlich über jenen in den USA und Japan, bei den notleidenden Kredite liege der Wert in Europa beim Vierfachen, erklärte Ittner bei den Finanzmarktgesprächen in Alpbach. Während auch die OeNB Kostensenkungen bei der IT empfiehlt, warnt Gouverneur Ewald Nowotny vor der sogenannten Blockchain-Technologie, die derzeit auch von den großen Kommerzbanken vorangetrieben wird und als Basis für Kryptowährungen wie Bitcoin dient. "Ich bin extrem misstrauisch bei der Sache", führte Nowotny aus. Das Geldwesen beruhe "auf Vertrauen und weniger auf technischen Spielereien".

Im Vergleich zu anderen Zahlungsarten ist die Bedeutung von Bitcoin sehr gering: Bei Visa gebe es pro Tag 213 Millionen Abrechnungen weltweit, in der OeNB werden an Spitzentagen bis zu acht Millionen Transaktionen pro Tag abgerechnet, und bei Bitcoin seien es weltweit 69.000 pro Tag, sagte Notenbankdirektor Kurt Pribil. Momentan sei das also noch verschwindend gering. Aber sowohl in der Europäischen Zentralbank als auch bei der Notenbank und wahrscheinlich auch in der Aufsicht und international werde die Entwicklung genau verfolgt. "In welche Richtung es geht, ist schwer vorauszusehen", so Pribil. (Andreas Schnauder, 3.9.2016)