Kann es sein, dass die Regierung eines hoch verschuldeten EU-Landes auf eine Steuereinnahme von bis zu 13 Milliarden Euro verzichtet, selbst wenn sie ihr von der EU-Kommission vorgeschrieben wird?

Die Entscheidung der irischen Regierung, gegen die Steuernachzahlung von Apple zu klagen, sorgt in der restlichen EU für viel Unverständnis – vor allem auch bei jenen, die sich daran erinnern, dass Irland noch vor wenigen Jahren mit Milliarden aus dem Euro-Rettungsschirm vor dem Staatsbankrott bewahrt wurde.

Es geht um Glaubwürdigkeit

Aber der Gang der Iren zum Europäischen Gerichtshof ist logisch und unvermeidlich, wollen die Regierung und das Land auch nur einen Rest ihrer Glaubwürdigkeit bewahren. Deshalb steht auch der Großteil der Opposition hinter diesem Schritt.

Irlands großzügige Steuerpolitik gegenüber multinationalen Konzernen hat den Multis viel Geld erspart und den Staaten ebenso viel gekostet, aber für Irland hat sich diese Strategie ausgezahlt. Die Milliarden an Investitionen gerade durch US-Konzerne haben Jobs und Wirtschaftswachstum geschaffen – und damit den Steuerausfall mehr als ausgeglichen.

Egoistische Politik

Das ist eine egoistische Politik, die sich vor allem kleinere Staaten leisten können, wenn sie nicht von den größeren aufgehalten werden. Dies zu unterbinden, bemühen sich derzeit die OECD, die G-20-Staaten und auch die EU.

Die steuerlichen Zusagen, die nun von der EU-Kommission als selektive Beihilfen moniert werden, liegen in der Vergangenheit; viele dieser Praktiken wurden bereits eingestellt oder werden es jetzt bald.

Attraktiver Investitionsstandort

Aber Irland möchte immer noch als attraktiver Investitionsstandort gelten; und dazu gehört, dass Unternehmen auch bei Steuerfragen Rechtssicherheit erhalten.

Würde Irland die Entscheidung der Kommission kampflos akzeptieren und Apple die nicht bezahlten Steuern vorschreiben, dann würde die Regierung einräumen, dass sie einen Fehler gemacht hat und nicht zu ihrem Wort steht.

Auch andere Staaten verteidigen Beihilfen

Viel geschickter ist es, gemeinsam mit Apple die Kommission vor dem EuGH zu klagen und zu argumentieren, dass die Steuervorbescheide für Apple nicht gegen EU-Recht verstoßen haben. Auch andere Staaten sind vor den EU-Gerichtshof gezogen, wenn Brüssel Förderungen als illegale Beihilfen eingestuft und die Rückzahlung verlangt hat.

Sollte Irland gewinnen, dann erhält es zwar kein Geld, aber viel Applaus aus der Unternehmenswelt – ebenso von der US-Regierung, die für Irland ein wichtiger Wirtschaftspartner ist.

Wahrscheinlicher ist eine Niederlage vor dem EuGH. Dann würde Irland die 13 Milliarden Euro (oder was immer dann als Betrag feststeht) notgedrungen einstecken und hätte sich dennoch als Freund der Großkonzerne bewiesen. Das wäre für das Land überhaupt das Beste. (Eric Frey, 4.9.2016)