Bis einschließlich Montag beraten die Staats- und Regierungschefs unter anderem über Rezepte, das Wachstum der Wirtschaft anzukurbeln.

Foto: AFP / Nicolas Asfouri

Mütter und Väter drängen sich mit kleinen Kindern auf dem Arm ganz dicht an den Zaun, lachen staunen und fotografieren mit Handys das glänzende Spektakel vor ihren Augen. Scheinwerfer strahlen eine gigantische, goldangestrichene Kugel inmitten weiterer illuminierter Großgebäude an.

Erst am späten Abend dürfen die Familien, die Sonderurlaub bekommen haben, mit ihren Kindern zum neuen Wahrzeichen von Hangzhou gehen. Alle haben Zeit. Der Schulanfang ist um eine Woche auf 7. September verschoben worden. Allabendlich flanieren nun die Bürger zum Zaun vor dem weiträumig abgesperrten 85 Meter hohen glitzernden Rundbau, der wie eine Reihe anderer Konferenzgebäude und Medienzentren eigens für den Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) gebaut wurde.

Fahrt mit "Roter Fahne"

Alle wollen im Fernsehen die Air Force One von US-Präsident Barack Obama sehen. Aber auch der fliegende Fuhrpark, den Kanzlerin Angela Merkel nutzen kann, die am Sonntag mit der "Konrad Adenauer" zu ihrem 24-Stunden-Besuch landete, wurde besonders hervorgehoben. Nach ihrer Landung musste Merkel zur Weiterfahrt auf Chinas Eigenbaukarosse "Rote Fahne" umsteigen, Staatschef Xi hat die Verwendung der einheimischen Edelmarke nach seinem Amtsantritt angeordnet.

Nur US-Präsident Barack Obama und Russlands Wladimir Putin sind die Ausnahme. Sie fahren in ihren mitgebrachten Limousinen. Auch der um seine Sicherheit offenbar besonders besorgte türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Saudi-Arabiens Kronprinz durften in ihren eigenen gepanzerten Autos der Marke Mercedes fahren.

Die Stadt Hangzhou steht für den Gipfel unter Ausnahmezustand. Ein Drittel ihrer 9,1-Millionen-Bevölkerung hatte die Metropole für die Großkonferenz verlassen müssen, meldete die BBC. China mobilisierte dafür neben Militär und Polizei alle 785.000 lokalen Bürgerwehren und Nachbarschaftskomitees in Hangzhou. Es begründete den Masseneinsatz der Aufpasser mit der weltweiten Terrorismusgefahr. Peking verschärfte nach dem jüngsten Anschlag auf die chinesische Botschaft in Kirgisien seine Schutzmaßnahmen noch weiter.

Wichtiges Imageprojekt

Für die Pekinger Führung ist der Gipfel, den sie erstmals ausrichtet, ihr wichtigstes internationales Imageprojekt. Sie erklärt das Treffen zum Höhepunkt der vor zehn Jahren begonnenen chinesischen "Go Global" Politik. Von der Konferenz soll auch das Signal über die neue globale Rolle ausgehen, die der omnipotente Staatschef Xi Jinping einnehmen will, vier Jahre nach seinem Amtsantritt. In seinen beiden Reden zum Gipfel stellte Xi am Samstag und am Sonntag seinen Anspruch heraus, von jetzt an die Regeln der internationalen Ordnung mit zu bestimmen: "Die G20 darf keine Quasselbude sein."

Xi verlangte nach Aktionsplänen für eine Innovationspolitik und Initiativen gegen Protektionismus, um den stotternden Motor der Weltwirtschaft anzukurbeln. In einer Propagandakampagne hatten Chinas Medien seit Wochen geschrieben, dass die Außenwelt angeblich ihre Hoffnungen auf "Chinas Fahrplan" setzt.

Westliche Kritik am Gipfelmanagement nehmen die Behörden übel. Der TV-Beitrag der BBC, der in den internationalen Hotels von Hangzhou empfangen werden konnte, wurde prompt von der Zensur noch während der Sendung ausgeblendet. Doch es stimmte: Hangzhou wollte, dass seine Bürger die Stadt für die Zeit der Konferenz verließen. Auf den Flughafen und Bahnhöfen spielten sich Anfang der vergangenen Woche noch chaotische Szenen ab, als tausende Bürger auf einmal verreisten, viele angeregt durch bezahlten Sonderurlaub.

Musterstadt

In den sozialen Netzen kommentierten Blogs den großen Exodus, der Hangzhous Straßen so leer werden ließ wie seit 20 Jahren nicht mehr. Den "blauen Himmel" verdankt die Konferenz vielen Tausenden in weitem Umkreis um Hangzhou bis zu 300 Kilometer Radius stillgelegten Baustellen, Fabriken, Textilfärbereien, Kohle- und Erzbergwerken.

Monatelang wurde die Stadt mit 651 Projekten runderneuert, von der Infrastruktur bis zum öffentlichen Nahverkehr, von der Stadtverschönerung bis zur Müllentsorgung. Parteisekretär Zhao Yide gab als Devise aus, Hangzhou zur "Drei Ohne"-Stadt zu machen – ohne Stahlwerke, ohne Kohlekraftwerke und ohne Autos, die die Umweltstandards nicht erfüllen. Alle Flüsse müssten so sauber werden, dass "wir wieder darin schwimmen können". (Johnny Erling aus Hangzhou, 4.9.2016)