Sabine Ladstätter ist überzeugt, dass es zu einer Fortsetzung der Grabungen des ÖAI in Ephesos kommen wird. Die Archäologin ruft zu einer Abrüstung der Worte auf.

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Selçuk/Wien – Nach der abrupten Beendigung der Forschungsarbeit des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) in der antiken Metropole und Weltkulturerbestätte Ephesos durch das türkische Außenministerium ruft die Grabungsleiterin Sabine Ladstätter zu einer Abrüstung der Worte auf. "Ich würde mir eine Nachdenkphase wünschen", sagt die Direktorin des ÖAI im Gespräch mit dem STANDARD.

Man solle sich nun mit Kennern des Landes zusammensetzen, um ein vielfältigeres Bild zu erhalten: "Ich lebe hier eine andere Realität." Es seien schwere Tage für die türkische Bevölkerung, die Gesellschaft verdiene sich moralische Unterstützung. Sie wünsche sich daher einen differenzierteren Blick.

Optimismus

Ladstätter will nun in ihrem Bereich alles tun, was möglich ist, aber die Entscheidung sei auf politischer Ebene gefallen und müsste auch auf politischer Ebene gelöst werden. Von wissenschaftlicher Seite spreche nichts gegen eine weitere Zusammenarbeit. "Es wird zu einer Fortsetzung kommen", ist die Wissenschafterin des Jahres 2011 optimistisch. Sie fühle sich ihrem Team verpflichtet. Allein 55 türkische Mitarbeiter haben nun ihren Job verloren, auch Kollegen aus Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Griechenland mussten heimkehren. 29 Dissertationen von Forschern verschiedener Universitäten sind von dem Abbruch der Zusammenarbeit betroffen. Auch die österreichischen Grabungen in der lykischen Stadt Limyra sind gestoppt worden.

Nach der Entscheidung der türkischen Behörden, von der sie vergangenen Dienstag erfahren habe, könne sie derzeit nicht mehr aktiv tätig sein. In aller Eile wurde daher eine nach Dringlichkeit sortierte Liste erstellt, um die Ausgrabungen zu sichern und über den Winter zu bringen. Die Ausgrabungen sind zum aktuellen Zeitpunkt weitgehend abgeschlossen, in den ausstehenden zwei Monaten hätte sich die Arbeit vor allem auf konservatorische Tätigkeiten konzentriert. Dass in den vergangenen Jahren eine intensive Zusammenarbeit mit den türkischen Kollegen gepflegt wurde, zahle sich in dieser Situation nun aus. Im Bereich der Archäologie wisse sie von niemandem, der nach dem Putsch suspendiert worden wäre. Dies habe islamistische Anhänger der Gülen-Bewegung getroffen, doch "klassische Archäologie studiert kein Evangelikaler oder Islamist".

Kooperation bisher problemlos

Die Archäologin blickt auf "unglaubliche fast zehn Jahre" zurück, die Kooperation habe in ihrer Zeit als Grabungsleiterin absolut problemlos funktioniert, und die Archäologen hätten die nötige Freiheit in Forschungsfragen und den angewandten Methoden gehabt. "Ich bin dankbar, was mir hier ermöglicht wurde", sagt Ladstätter.

Die Grabungslizenz wird jährlich vergeben, dazu wird üblicherweise bis Jahresende ein Antrag gestellt, über den bis März entschieden wird. Auch die Menschen vor Ort würden ein Ende des mehr als 120-jährigen österreichischen Engagements spüren. Von staatlicher Seite wird die Forschungsarbeit mit 400.000 Euro finanziert, doch das gesamte Investment ist durch Drittmittel und Sponsorengelder höher – Mittel, von denen der kleine Ort Selçuk profitiert. Umgekehrt ist der Gewinn für die heimische Forschung nicht hoch genug einzuschätzen. Die lange Tradition der prestigeträchtigen Ausgrabungsstätte für die österreichische Archäologie ist ein großer Schatz.

Das österreichische Wissenschaftsministerium bereitet unterdessen eine offizielle Stellungnahme an das türkische Kultur- und Wissenschaftsministerium vor. Darin soll das Bedauern über den türkischen Schritt und die Hoffnung auf eine gemeinsame Basis für eine neuerliche Vergabe der Grabungslizenz für das Jahr 2017 ausgedrückt werden. (Michael Vosatka, 5.9.2016)