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Das US-Militär setzt mittlerweile voll auf Attacken im Cyberspace.

Foto: Reuters/Wilking

Wenn nach knapp zwei Stunden Zero Days der Abspann des Dokumentarfilms läuft, dürften einige Seher zu Papier und Stift greifen, um eine Liste für sogenannte Hamsterkäufe zusammenzustellen, die einen durch Computerangriffe induzierten Stromausfall notwendig machen. Denn Filmemacher Alex Gibney, der sich zuvor etwa mit Scientology befasste, schafft es eindrucksvoll, dem Zuseher Schadenspotenzial und Relevanz von Cyberangriffen näherzubringen.

Dazu bedarf es keiner theoretischen Abhandlung, denn die erste wirkungsvolle Cyberattacke, die durch (mindestens) einen Nationalstaat durchgeführt wurde, ist mittlerweile in vielen Details offengelegt worden: Stuxnet. Dabei handelt es sich um einen Computerwurm, der sich signifikant von herkömmlichen Schadprogrammen unterschied. Das erklären Koryphäen der Antivirenbranche, die von Gibney interviewt werden: etwa Mitarbeiter von Symantec, die den Code von Stuxnet monatelang durchforstet haben.

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Geopolitischer Thriller

Der Wurm war darauf programmiert worden, gezielt spezifische SPS von Siemens zu attackieren: Dabei handelt es sich um Geräte, die im industriellen Bereich eingesetzt werden – beispielsweise in Nuklearanlagen. Langsam wird klar, dass Stuxnet erschaffen wurde, um Zentrifugen des Atomreaktors im Iran zu manipulieren. Der Film wird zu einem geopolitischen Thriller, der teilweise ins Absurde abdriftet: etwa dann, wenn Regisseur Gibney seine Interviewpartner von NSA, CIA und Mossad mit Stuxnet konfrontiert. Obwohl mehrere Medienberichte oder das exzellente Sachbuch "Countdown to Zero Day" von Kim Zettel die Urheberschaft von NSA und israelischem Geheimdienst klar belegten, will sich die USA nicht zu Stuxnet bekennen.

Weder harmlos noch ohne Konsequenzen

Dabei wäre es an der Zeit, eine öffentliche Debatte über Cyberattacken zu führen. Das ist die Kernaussage des Films: Eine Diskussion, wie sie nach Edward Snowdens Enthüllungen zum Thema Überwachung geführt worden war, ist auch zu Fragen von Cyberangriffen nötig. Tatsächlich erklärten sich mehrere NSA-Mitarbeiter bereit, anonym mit Gibney zu sprechen. Sie berichten davon, dass die NSA nach wie vor Zugang zur kritischen Infrastruktur des Iran hat und beispielsweise Stromnetze oder den Nahverkehr manipulieren könnte. Das ist kein gutes Zeichen. Denn: "Was wir können, können andere auch", so ein Whistleblower zu Gibney. Tatsächlich sollen chinesische Hacker schon länger in US-Stromnetze eingedrungen sein – vorerst wohl nur, um ihre eigenen Fähigkeiten zu testen. Erst vergangene Woche sorgte ein Hackerangriff auf den Flughafen Wien-Schwechat für Schlagzeilen.

Die Annahme, Cyberattacken wären in irgendeiner Weise "harmlos" oder kein Kriegsakt, wird von Gibneys Film eindrucksvoll widerlegt. Tatsächlich dürfte es nach einem totalen Stromausfall nicht lange dauern, bis erste Todesopfer zu beklagen sind. Von der Möglichkeit, Staudämme oder AKWs zu manipulieren, ganz zu schweigen. Zero Days könnte ein Anstoß zu dieser Debatte sein. Leider hat sich für Österreich kein Verleih gefunden, in Deutschland ist der Film seit 6. September in den Kinos. Bereits am 16. September startet allerdings der digitale Vertrieb, etwa über Amazon oder iTunes. (Fabian Schmid, 12.9.2016)